Montag, 27. September 2010
Kontrapunkte gegen die graue Suppe
Dass an dieser Stelle schon seit längerer Zeit Funkstille herrschte, liegt vornehmlich daran, dass ich nach Deutschland entschwebt bin. Übrigens mit einem kleinen kostensparenden Umweg über Dubai, wo ich der im Namen versteckten Aufforderung nachkam: I did buy. Mit tollen mittel-östlichen Souvenirs und nachgeordnet auch schierer Anwesenheit konnte ich dann bei meiner Familie punkten, doch wenn ich jetzt das Taschentuch vor der Nase wegnehme und aus dem Fenster schaue, schwant mir, dass der Trip keine ausschließlich weise Entscheidung war.
Ich will aber keineswegs jammern, denn die Tage und Wochen bisher waren wunderbar und es hat ja auch einiges für sich, von seinen Freunden mal wieder mehr als den Facebook-Account zu sehen. Momentan ist mir trotzdem das Gemüt nach einem kräftigen Kontrapunkt gegen die deutsche Witterungsrealität und was böte sich da mehr an, den Reisebericht aus Botsuana endlich einmal nachzureichen. Dort in der trockenen Dornstrauchsavanne haben wir die erste Wolke, die uns nach knapp zwei Wochen begegnete, noch freudig überrascht fotografiert.
Rechts neben dem Sonnenstrahl, knapp über den Bäumchen...
Nur zum Wolkensuchen waren wir allerdings gar nicht da. Es ging eher um Menschen und um Wildnis. Die San sind so ein Beispiel, die zwar kulturhistorisch als die erste Volksgruppe auf dem Gebiet des heutigen Botsuana betrachtet werden, inzwischen aber als Minderheit an den gesellschaftlichen Rand gedrängt ein eher bitteres Dasein fristen. Nun sind – wer hätte es gedacht – auch nicht alle San gleich. Über die, die wir trafen, behauptete eine Broschüre, dass sie auf dem weitläufigen Stück Savanne namens Dqae Qare, das sie ihr Eigen nennen, noch ihrer traditionellen Lebensweise nachgehen können. Elsie, die sympathische, junge Frau, die in dem kleinen Ressort Managerin ist, gibt allerdings offen zu, dass das gar nicht möglich wäre, weil sie das Land nur bekamen, um ein Tourismus-Projekt aufzubauen. Niemand darf hier jagen, wie es die Vorväter taten, niemand sammelt hier noch Beeren und Wurzeln, weil Medizin Tablettenform hat und Essen aus Supermärkten kommt, und kein San lebt in den für die Touristen mit stabilen Holzbetten eingerichteten Grashütten. Trotzdem ist diese kleine Tourismus-Farm ein Hoffnungsschimmer. Die San-Gemeinschaft des nächsten Ortes kann sie selbst verwalten, sich ein Einkommen schaffen und ist nicht gezwungen, sich als billige Arbeitskräfte den Nachfahren der Land-„Besitzer“ anzudienen, die ihnen vor vier, fünf Generationen die Lebensgrundlage raubten. Trotzdem: Kultur und Lebensart der San verblassen so immer weiter. Das bemängelt auch Elsie, aber was solle sie denn machen, es gäbe keine andere Möglichkeit. Die San, die die andere Möglichkeit weiter suchen und sich weigern, ihr Leben im Zentral-Kalahari Nationalpark aufzugeben, der übrigens einst auch ausdrücklich zu ihrem Schutz angelegt worden war, werden von der Zentralregierung in Gaborone gegängelt, schikaniert und nach und nach vertrieben. Ihr nomadisierender Lebensstil wird als rückständig und unzivilisiert beleidigt, die San sollen gezwungen werden, nach den Normen der „Moderne“ zu leben. Man fragt sich, warum eine Regierung sich so viel Stress macht mit ein paar Nomaden, in dieser extrem dünn besiedelten, scheinbar endlosen Weite der Kalahari. Angeblich lagern Diamanten unter dem sandigen Wüstenboden.
Ein paar hundert Kilometer nördlich, im Okavango-Delta, sind solche Probleme unbekannt. Hier hat sich eine Gruppe von Einbaum-Boot-Fahrern zusammengeschlossen, um Touristen das Delta zu zeigen. Sie leiden ein wenig unter der Globalen Finanzkrise, weil deshalb in diesem Jahr weniger Urlauber kamen, erzählt unser Guide, in dessen Dorf Seronga es nur zwei kleine Lädchen, eine Bar und eine Fleischerei gibt, die allerdings während unseres Aufenthalts gerade nicht über Fleisch verfügte. Das lag allerdings nicht an den Lehman Brothers, sondern eher an mangelnder lokaler Nachfrage. Wirklich schlimm hat die Krise Seronga auch gar nicht erwischt, denn wer selbst Vieh hält, seine Maisfelder erfolgreich gegen die Elefanten verteidigt und dazu noch weiß, wie Wasserlilien und Termiten zubereitet und konserviert werden, den haut so schnell nichts um. Selbst die Fische in der Region lassen sich von kühnen Europäern nicht überlisten, wie ich ernüchtert feststellen musste, allerdings hatten sie auch unlautere Hilfe von machohaften Flusspferden, die permanent ihren Revieranspruch über meine Angelplätze untermauern mussten. Um es kurz zu machen: Ich glaube, ich habe es noch nie geschafft, dem Alltag so elegant und allumfassend zu entfliehen, wie in der endlosen Ruhe des Deltas. Trotz der gefühlt 40-köpfigen Gruppe Spanier, die mitten in der Nacht mit ihrem Viva Espana doch lauter waren als die blökenden Flusspferde. Aber dass man vor den Absurditäten der globalisierten Welt auch auf einer unbesiedelten, mit Elefanten-Kot übersäten Insel im Okavango-Delta nicht sicher ist, hatten wir von unserem Bootsmann ja schon aus dessen Erfahrungen mit der Krise gelernt...
PS: Zu dem Tourismus-Projekt im Okavango-Delta schrieb ich bei ZEIT Online.
PPS: Passt gar nicht rein, aber ebenfalls bei ZEIT Online findet sich auch noch ein Artikel über einen deutschen Lehrer in Kapstadt, den ich bisher unterschlagen hatte.
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