Mittwoch, 29. April 2009

Plausible Argumentationen II

Heute ein Fundstück aus der Hamburger Morgenpost. Kann es in puncto Zynik durchaus mit seinem Vorgänger aufnehmen...

"Abschiebung - weil er kein Spitzel sein will
Yassir Miloudi brachte nicht genug Infos / Jetzt soll der 24-Jährige ausgewiesen werden"


Sein Visum war abgelaufen, die Ausländerbehörde drohte mit sofortiger Abschiebung - da erschien das "Angebot" des freundlichen Beamten als rettender Anker: Yassir Miloudi (24) könne Asyl beantragen und zunächst im Land bleiben, wenn er im Gegenzug die linke Szene für den Hamburger Verfassungsschutz ausspähen würde. Der junge Marokkaner sagte zu, in der Hoffnung auf Bleiberecht und Studienplatz. Er war kein guter Spitzel, jetzt soll er abgeschoben werden.
(...)

Verfassungsschutzchef Heino Vahldieck betonte auf MOPO-Nachfrage, dass der Verfassungsschutz niemanden zur Zusammenarbeit nötige.


Wenn man Herrn Vahldieck jetzt darlegen würde, sämtliche seiner Lebensträume zu zerstören, wenn er nicht sofort zurücktrete, fiele das demnach wohl auch nicht unter den Straftatbestand der Nötigung...

Den ganzen Artikel gibt es hier.

Freitag, 24. April 2009

Wahlberichterstattung

Ich bin zwar spät dran mit der Ankündigung, aber ich schrieb zwei Vorberichte zur Wahl in Südafrika, einen für den Weser Kurier und einen für die junge Welt. Ersterer steht leider nirgends online, letzteren findet der interessierte Leser hier.

In den nächsten Tagen dürfte in den beiden Zeitungen auch noch was folgen, ich verspreche, es kund zu tun...

NACHTRAG: Der Aufmacher in der jungen Welt von heute. Ich muss gestehen, dass der Alliterationsansatz in der Überschrift nicht von mir ist und frage mich nun schon den ganzen Morgen, warum ich nicht selbst auf etwas wie "Hütten-Held hält Hoffnung hoch" gekommen bin. Gone Fishing...

Neue Reihe: Plausible Argumentationen

Heute mal wieder was nicht Südafrikanisches. Ich las gerade einen Artikel auf tagesschau.de, der darüber informierte, dass die ehrenwerte Frau Rice, ihres Zeichens ehemalige Außenministerin der USA (Mehr Lustiges von Frau Rice), von den Foltermethoden der CIA detaillierte Kenntnis hatte. Ich muss gestehen, dass mich das nicht wirklich überrascht hat, beteuere aber jeder neuen Regierung ihre Lügen auch weiterhin immer erst zu glauben, ehe sie von einer späteren Administration entlarvt werden. Sonst könnte das nämlich zu System-Schwierigkeiten führen und davon hat mein Laptop schon genug.
Während nun natürlich alle zurück rudern, gibt es aber immerhin noch mindestens einen Mann, der die Folterverhöre entschieden und plausibel verteidigt, hier seine Position, die sich am Ende des Artikels findet:
Nur Naivlinge regen sich auf

Nur Naivlinge könnten sich über die so genannten Folter-Verhöre aufregen, betonte jetzt Marc Thiessen, der ehemalige Redenschreiber von US-Präsident Bush: "Ich sag Ihnen, es ist naiv zu glauben, dass wir irgendwelche Informationen von diesen Leuten bekommen hätten, wenn wir nicht diese Methoden eingesetzt hätten." Schließlich habe man zahlreiche Anschläge nur dank der Verhörmethoden der CIA verhindern können, betont Thiessen.

Denn nur wenn man islamistischeTerroristen über die Grenzen des Erträglichen hinaus quäle, erlaube ihnen ihr Glaube ein Geständnis. Nur die Folter ermögliche es den Gefangenen, zunächst Allah ihre Tapferkeit zu beweisen und anschließend trotzdem den CIA über geplante Attentate zu informieren, behauptete Bushs ehemaliger Redenschreiber allen Ernstes gegenüber "Radio NPR".


Ich finde das klasse. So hatte ich das noch gar nicht gesehen. In ihrer grenzenlosen religiösen Toleranz und Feinfühligkeit hat die Bush-Administration erkannt, dass es die religiösen Gefühle ihrer Gefangenen und Verschleppten verletzt, wenn man sie einfach in rechtsstaatlich genehmigten Verhören befragt. Somit haben sie sich aus purer Gutmenschlichkeit dazu durchgerungen, die Verdächtigen zu ihrem eigenen Wohl und in derem eigenen Interesse zu foltern, ihnen Nächte lang den Schlaf zu entziehen, sie an den Armen aufzuhängen oder ihr Ertrinken zu simulieren.

Der Mann sollte Seminare in Krisen-PR geben...

Donnerstag, 23. April 2009

Eine Wahl als Volksfest

„Wenn Wahlen etwas ändern könnten, dann wären sie verboten.“ So oder so ähnlich hat es Bertold Brecht mal gesagt. Ich fand dieses Zitat immer recht überzeugend. Bis heute.
Dieser 22. April, der Tag der vierten freien, demokratischen und für alle Bürger des Landes zugänglichen Parlamentswahlen in Südafrika, hat mir sehr eindrucksvoll vor Augen geführt, was das Wahlrecht für Menschen bedeuten kann. Es ist ein Recht, etwas Wertvolles, ein Privileg. In diesen Worten steckt viel pathetische Verklärung. Natürlich haben die meisten Leute hierzulande auch längst erkannt, dass Versprechungen und Realität sich ungefähr diametral gegenüber stehen. Natürlich gibt es daher eine gewisse Resignation. Aber es sind die allerwenigsten, die deswegen der Wahl fernbleiben würden. Die Hauptsichtweise in Südafrika ist die: Unsere Vorfahren haben lange für dieses Recht gekämpft, gute Menschen haben ihr Leben geopfert für diesen Kampf, wie respektlos wäre es also nicht zur Wahl zu gehen. Daher wird die Wahl zelebriert, das durfte ich heute erleben.
Der Wahltag war zum staatlichen Feiertag erklärt wurden, damit jeder genügend Zeit hat, zu wählen. Diese Zeit braucht man hier auch. In Kapstadts guten Vierteln steht man dem Vernehmen nach eine halbe Stunde an, in Port Elizabeths elitären Stadtteilen schon etwas länger und in Walmer Township eben sechs Stunden. So wie mein Kollege Lubabalo von 6.30 Uhr bis 12.30 Uhr. Es gab drei Wahllokale für schätzungsweise 50 000 bis 100 000 Menschen, davon vielleicht 60 Prozent wahlberechtigt. Gegen Abend sind zeitweise sogar die Stimmzettel ausgegangen, trotzdem sind die Leute in der Schlange geblieben, um irgendwann ihre Wahl treffen zu können.

Lubabalo zeigt, was man zum Wählen braucht


Apropos Schlange: Eine solche Disziplin im Anstellen gepaart mit einer solchen Gelassenheit, Freundlichkeit und guten, fast feierlichen Laune habe ich auf der ganzen Welt noch nicht gesehen. Es war wie ein Volksfest, bei dem man die ganze Zeit in einer Schlange steht. Ich habe mich eine Weile dazu gestellt, weil es einfach eine so wahnsinnig gute Stimmung war und habe Lubabalo und meinem Fußball-Trainer Baily zwischendrin einen Kaffee von Zuhause geholt. Hier und da mal ein Schwätzchen mit Bekannten und Freunden, ein kleiner Plausch mit dem Damen vom ANC-Wahlwerbungsstand, ein Chat mit den Herren von COPE – toll, bereichernd, gute Laune erzeugend.

Wahlkampf auf südafrikanisch

Und was war nicht alles befürchtet worden im Vorfeld: Ausschreitungen, Armee-Einsatz, Bürgerkrieg. Ist ja schließlich Afrika. Pustekuchen, geduldige, friedliche und gut gelaunte Menschen freuen sich, wählen zu können. Ein Privileg mehr als eine Pflicht.
Lubabalo hat übrigens eine gute Bekannte, die heute ein Wahllokal geleitet hat und hätte sich da sicher in fünf Minuten seinen Zettel holen können, um fix zu wählen. Er hat es nicht getan, nach eigener Ansage, weil er das Gefühl des Wählens, die Stimmung, die Atmosphäre voll mitnehmen wollte. Der Schreiber dieser Zeilen, der bisher noch nie ein Wahllokal von Innen gesehen hat, sondern immer per Brief gewählt hat, war ziemlich überwältigt. Ich finde, diese Menschen haben eine richtig gute Regierung verdient. Möge sich Herr Zuma, der sie aller Wahrscheinlichkeit als neuer Präsident Südafrikas anführen wird, sich das zu Herzen nehmen.

Donnerstag, 9. April 2009

Wort zum Samstag

Das Wort zum Samstag kommt diesmal schon am Donnerstag. Das hat zwei Gründe: Erstens bin ich Samstag nicht da und zweitens ist der Spruch so gruselig, den kann ich unmöglich zwei weitere Tage in meinem Kopf behalten. Also raus damit:

"In diesem Fall hat Oddo das Abseits aufgehoben - wenn es denn überhaupt eins gab."
Marcel Reif

Danach war er für seine Verhältnisse ziemlich lange ruhig. Was ich verstehen kann...

PS: Es gibt neue Berichte vom Masifunde-Ferienprogramm auf der Masifunde-Website.

Mittwoch, 1. April 2009

Fischotter of Death

Bei gefährlichen Tieren in Südafrika fällt einem ja so einiges ein. Die tödlichen Pranken des Löwen, die wahrhaftig fast blinde Wut des Nashorns, die krasse Masse von Elefant oder Flusspferd, ja selbst noch die List des Büffels – allesamt nicht besonders gesund für den ungeschützten Menschen. Auch im Wasser lauert so einiges, Krokodile und Haie lassen uns in Horrorfilm-Fantasien abtauchen. Mich hat das ja bisher eher wenig beeindruckt. Ich verfiel nicht einmal in Panik, als ich beim Hummertauchen nahe der False Bay, einer der wohl am dichtesten mit Weißen Haien bevölkerten Bucht der Welt, bemerkte, dass sich mein Tauchhandschuh rot gefärbt hatte, weil die kleinen Hummer mir ein paar Kratzer in die Haut gehackt hatten. Der Kenner sieht: Hier schreibt ein richtig harter Hund. Nun hat mir aber doch ein Tier das fürchten gelehrt. Hier der Thriller, zart Besaitete sollten lieber woanders weiter lesen:


Umstrittene Beutetiere

Auf der Jagd nach Alikreukeln, meinen Lieblingsseeschnecken, die inzwischen einen wesentlichen Teil meines Fleischverzehrs stellen, schnorchelte ich vor der Küste Port Elizabeths ruhig und friedlich umher. Weil die See etwas rau war, entschloss ich mich während des Tauchgangs, kurz zur Rast auf einen Felsen zu klettern. Nach kurzer Zeit wurde ich von dort aus auf einen scheinbar possierlichen Fischotter aufmerksam, der das Spiel der Wellen zu genießen schien und quietschfidel und jungfräulich in der Gischt planschte. Durch Zahnpastawerbung mit ähnlichen Tieren von Kindesbeinen an in die Irre geleitet entschloss ich mich, den kleinen Racker auch einmal unter Wasser zu betrachten. Leider hatte ich den Augenkontakt allerdings kurz darauf verloren, machte mich aber trotzdem auf den Weg zurück in den Ozean. Als ich hüfttief im Wasser stand, senkte ich mein weises Haupt, um mit Hilfe der Taucherbrille erspähen zu können, ob auch kein Felsen dem Hineingleiten im Wege stünde. Ein Felsen war da nicht. Jedoch schwamm der ach so freundliche Fischotter in hohem Tempo und mit gefletschten Zähnen bis auf circa einen Meter auf mich zu. Normalerweise fletsche ich da ja gern zurück, da das mit dem Schnorchel im Mund aber nicht ging, bewegte ich mich so schnell zurück auf den Felsen, wie ich wohl noch nie auf einen Felsen gesprungen bin. Der Fischotter hat dann in offensichtlicher Einschüchterungstaktik noch für ein paar Minuten enge Bahnen entlang meines Rückzugsfelsens gezogen, ehe er irgendwann wohl doch kapiert hat, dass ich KEIN anderer Fischotter bin.

Phantombild

Eine seltsame, beängstigende Geschichte. Und ein komisches Tier. Denn ich bewege mich zwar aus ideologischen Gründen im Volk wie ein Fisch im Wasser, dennoch sollte mich ein Fischotter noch von seiner Beute unterscheiden können, zumal ja grad kein Volk da war. Ich bin also sauer, auf den Anglerkollegen mit den Hauerzähnen, denn er hat mich übel bloß gestellt. Während andere hier mit Haien tauchen, zittere ich auf meinem Felsen vor einem Otter. Ernüchternd. Rache nehmend will ich aber wenigstens noch exklusiv verraten, dass Fischotter, wenn sie nicht zugegebenermaßen elegant unter der Oberfläche entlang tauchen, beim normalen Schwimmen ein ziemlich ärmliches Hundepaddeln an den Tag legen. Der Blick geht dabei aber fixierend und starr voraus. Da sieht man die Verwandtschaft zum Löwen dann wieder…