Donnerstag, 23. April 2009

Eine Wahl als Volksfest

„Wenn Wahlen etwas ändern könnten, dann wären sie verboten.“ So oder so ähnlich hat es Bertold Brecht mal gesagt. Ich fand dieses Zitat immer recht überzeugend. Bis heute.
Dieser 22. April, der Tag der vierten freien, demokratischen und für alle Bürger des Landes zugänglichen Parlamentswahlen in Südafrika, hat mir sehr eindrucksvoll vor Augen geführt, was das Wahlrecht für Menschen bedeuten kann. Es ist ein Recht, etwas Wertvolles, ein Privileg. In diesen Worten steckt viel pathetische Verklärung. Natürlich haben die meisten Leute hierzulande auch längst erkannt, dass Versprechungen und Realität sich ungefähr diametral gegenüber stehen. Natürlich gibt es daher eine gewisse Resignation. Aber es sind die allerwenigsten, die deswegen der Wahl fernbleiben würden. Die Hauptsichtweise in Südafrika ist die: Unsere Vorfahren haben lange für dieses Recht gekämpft, gute Menschen haben ihr Leben geopfert für diesen Kampf, wie respektlos wäre es also nicht zur Wahl zu gehen. Daher wird die Wahl zelebriert, das durfte ich heute erleben.
Der Wahltag war zum staatlichen Feiertag erklärt wurden, damit jeder genügend Zeit hat, zu wählen. Diese Zeit braucht man hier auch. In Kapstadts guten Vierteln steht man dem Vernehmen nach eine halbe Stunde an, in Port Elizabeths elitären Stadtteilen schon etwas länger und in Walmer Township eben sechs Stunden. So wie mein Kollege Lubabalo von 6.30 Uhr bis 12.30 Uhr. Es gab drei Wahllokale für schätzungsweise 50 000 bis 100 000 Menschen, davon vielleicht 60 Prozent wahlberechtigt. Gegen Abend sind zeitweise sogar die Stimmzettel ausgegangen, trotzdem sind die Leute in der Schlange geblieben, um irgendwann ihre Wahl treffen zu können.

Lubabalo zeigt, was man zum Wählen braucht


Apropos Schlange: Eine solche Disziplin im Anstellen gepaart mit einer solchen Gelassenheit, Freundlichkeit und guten, fast feierlichen Laune habe ich auf der ganzen Welt noch nicht gesehen. Es war wie ein Volksfest, bei dem man die ganze Zeit in einer Schlange steht. Ich habe mich eine Weile dazu gestellt, weil es einfach eine so wahnsinnig gute Stimmung war und habe Lubabalo und meinem Fußball-Trainer Baily zwischendrin einen Kaffee von Zuhause geholt. Hier und da mal ein Schwätzchen mit Bekannten und Freunden, ein kleiner Plausch mit dem Damen vom ANC-Wahlwerbungsstand, ein Chat mit den Herren von COPE – toll, bereichernd, gute Laune erzeugend.

Wahlkampf auf südafrikanisch

Und was war nicht alles befürchtet worden im Vorfeld: Ausschreitungen, Armee-Einsatz, Bürgerkrieg. Ist ja schließlich Afrika. Pustekuchen, geduldige, friedliche und gut gelaunte Menschen freuen sich, wählen zu können. Ein Privileg mehr als eine Pflicht.
Lubabalo hat übrigens eine gute Bekannte, die heute ein Wahllokal geleitet hat und hätte sich da sicher in fünf Minuten seinen Zettel holen können, um fix zu wählen. Er hat es nicht getan, nach eigener Ansage, weil er das Gefühl des Wählens, die Stimmung, die Atmosphäre voll mitnehmen wollte. Der Schreiber dieser Zeilen, der bisher noch nie ein Wahllokal von Innen gesehen hat, sondern immer per Brief gewählt hat, war ziemlich überwältigt. Ich finde, diese Menschen haben eine richtig gute Regierung verdient. Möge sich Herr Zuma, der sie aller Wahrscheinlichkeit als neuer Präsident Südafrikas anführen wird, sich das zu Herzen nehmen.

1 Kommentar:

jonny hat gesagt…

Ach Mensch, wie gerne wäre ich dabei gewesen. Wie lange hast du denn neben Lubs ausgehalten? Durftest du auch mit ins Wahllokal?
Lg,
jonny