Freitag, 24. Dezember 2010
Frohes Fest
Nicht was ihr denkt, das aber gerne auch. Doch nun zum Thema: In den vergangenen anderthalb Wochen berichtete ich für die junge Welt aus Tshwane von den Weltjugendfestspielen. Ja, die gibt es noch. In etlichen sozialistischen Ländern wie beispielsweise Venezuela oder Kuba und auch in manchen Ländern, die gern mit sozialistischer Rhetorik kokettieren, wie beispielsweise Südafrika, sind die Weltjugendfestspiele sogar wieder zu ziemlich großer Bedeutung angestiegen.
Für den Weltfrieden, gegen das Imperium!
Nun war – die südafrikanische Presse beschränkte sich in ihrer Berichterstattung nahezu völlig auf diesen Aspekt – bei dieser Veranstaltung nicht immer alles ganz bis ins Detail organisiert. Oder anders ausgedrückt: Die ANC-Jugendliga hat vor geraumer Zeit die ehemals unabhängige, staatliche Jugendentwicklungsagentur NYDA übernommen. Das war insofern praktisch, als dass es bei der NYDA dutzende gut dotierte Jobs gibt, in denen man eigentlich überhaupt nichts machen muss. Außer Sonntagsreden erwartet von diesen Stellen hierzulande sowieso niemand irgendetwas. Besagte NYDA übernahm nun die Organisation der Weltjugendfestspiele, federführend dabei war unter anderem einer ihrer Vorstände, Andile Lungisa, der ansonsten auch als Vize-Präsident der ANC-Jugend fungiert. Ich habe ihn am vierten Konferenztag auch zufällig getroffen, als er mich nach dem Eingang zum Medienzentrum gefragt hat. Man weiß, was man tut…
War besser organisiert: Nordkoreanische Delegation
Die engagierten Organisatoren schafften es, die ersten vier Festivaltage zu mehr als fünfzig Prozent dem eigenen Organisationschaos zu opfern, sie vollbrachten es außerdem, tausende Delegierte tagelang ohne regelmäßiges Essen zu lassen (wenn denn mal eine Lieferung ankam, sicherten Wachleute mit Maschinenpistolen die Ausgabe, damit die lechzende Meute nicht zum Sturm ansetzte) und internationale Delegationen bis zu dreimal die Unterkunft wechseln zu lassen, weil die Planung schlicht non-existent war. Da fällt es schon fast nicht mehr ins Gewicht, dass auch die Shuttle-Busse anfangs oft Stunden zu spät kamen, die Akkreditierungsliste unauffindbar war und Rednerinnen wie Winnie Mandela nicht erschienen, weil niemand sie rechtzeitig eingeladen hatte.
Südafrikanische Demonstranten auf der Abschlusskundgebung
Thematisch wäre vielleicht noch zu erwähnen, dass Seminare wie „Wohnraum als Menschenrecht“ oder „Die Rolle junger Menschen im Kampf gegen Analphabetismus“ komplett ausfielen und Diskussionsrunden über freie Bildung und solidarische Krankenversicherungsmodelle – die angeblich soweit oben auf der ANC-Agenda stehen – ohne Südafrikaner im Podium auskamen. Wenn zu dieser Unfähigkeit gut verdienender Polit-Kader dann noch immer wieder das Freiheitslied über Solomon Mahlangu erklingt, dessen Leben 1979 mit 23 Jahren am Galgen des Apartheid-Regimes endete, weil er für die Gleichberechtigung aller Menschen in seinem Land kämpfen wollte, dann hinterlässt das schon ein sehr unwohles Gefühl in der Magengegend. Zur Ehrrettung der Veranstaltung sei allerdings noch erwähnt, dass die zweite Festspiel-Hälfte wesentlich runder lief, die Seminare teilweise sehr interessant und informativ waren und die informellen Kontakte zwischen den Jugenddelegationen, die sich so global vernetzen, sowieso das wichtigste an einem solchen Festival.
Global beliebter Lebensmittelkonzern wirbt vor antiimperialistischer Kulisse.
Außerdem will ich ja nicht nur Leid und Übel beklagen, denn nun wendet sich die Geschichte und ein bezauberndes Märchen beginnt:
Eines Abends trug es sich zu, dass eine Gruppe südafrikanischer Delegierter das Medienzentrum stürmte. Die Männer und Frauen gaben an, ihre Führung zu suchen. Die ließ natürlich nur höchst selten dazu herab, sich mit dem Fußvolk zu vermischen und war auch an diesem Abend abwesend. Man muss ja schließlich nicht gleich in Aktionismus verfallen, nur weil man 12000 internationale Gäste eingeladen hat, die gern mehr über die politische Lage des eigenen Landes wissen wollen. Das haben sie auf diese Art und Weise ja schließlich auch selbst bestens herausgefunden. Auf die Frage, was sie denn so auf die Palme brächte, erklärten nun also einige der so aufgebrachten Menschen, dass sie seit Ewigkeiten nichts zu essen bekommen hätten und außerdem die Busse, die sie zu ihrer Unterkunft bringen sollten, nicht aufzufinden sein. Das klang realistisch. Aber es war leider komplett falsch, wie bei der Pressekonferenz am Tag darauf zu erfahren war. Die Jugendlichen seien von der Konferenz so aufgeputscht gewesen, dass sie den Imperialismus gleich hier und jetzt besiegen wollten. Daher der Sturm. Auch das leuchtete mir ein, obwohl es natürlich schade ist, dass die eigentlich beteiligten anscheinend gar nicht wussten, was sie taten. Die Frage ist nur, ob die Jugendliga-Oberen sich bewusst sind, in welcher Rolle sie bei diesem Spiel wären. Halleluja!
Enthusiasmus pur auf der Abschlusskundgebung
Dienstag, 7. Dezember 2010
Von Roten Römern, Soldaten und Warzenschweinrücken
Soso, leicht verspätet nun auch die offizielle Verlautbarung. Ich bin zurück. Zurück in Südafrika und damit auch zurück im Sommer. Diese Nachricht ist allerdings hochgradig unspektakulär, zumal ich hier seitdem – mit Ausnahme eines fiesen Plus‘ an Arbeit – im Wesentlichen nichts anderes gemacht habe, als im Deutschland-Urlaub: Steinpilze sammeln und Angeln.
In Wirklichkeit ist dieser ganze Mythos des freien Korrespondenten ja auch nur vorgeschoben, um meine obsessive Steinpilzsucht über die europäische Saison hinaus zu befriedigen. Der Plan ging nun auf der Südhalbkugel erstmals auf und zwar in einem malerischen Bergdorf mit dem noch malerischeren Namen Hogsback – was übersetzt so viel wie „Warzenschweinrücken“ heißt.
Meine Oma hatte Angst, dass ich ob der Entdeckung hiesiger Steinpilzvorkommen nun gar nicht mehr nach Deutschland käme. In Anbetracht dieser Tagesausbeute sollte sie beruhigt sein...
Pilze sammeln in Südafrika ist allerdings mit anderen Hürden verbunden als in Deutschland. Zwar läuft man in den hiesigen Kiefernplantagen seltener Gefahr von Hundertschaften Cross-Rallye fahrender Jäger über den Haufen gefahren zu werden und auch die fiese Pilzmade hat die Migration gen Süden wohl nicht mitgemacht, doch dafür bevölkern größere Pavian-Gruppen die Wälder und laben sich an den Steinpilz-Stielen. Die Kappen überlassen sie dann der sommerlichen Hitze, auf dass sie schaurig am Waldboden vergammeln. Ein tragisches Bild, an den beiden Tagen auf dem Warzenschweinrücken war ich allerdings oft genug vor den Affen da, sodass es letztendlich für eine ordentliche Portion Steinpilznudeln reichte.
Um meine Diät etwas eiweißreicher zu gestalten, ließ ich mich dann noch vom guten Skipper Jerry in die Geheimnisse des südafrikanischen Hochseeangelns einweihen. Weil Fischer-Kollege Ansgar mehr mit Fische anfüttern beschäftigt war, fanden Beres und ich in Jerry einen hervorragenden Ersatz-Partner für die Aufgabe, die obligatorische Flasche Old Brown Sherry zu leeren. Sonst beißen die Fische nämlich nicht. Das Angeln an sich ist relativ simpel: Man hängt halbe Sardinen an riesigen Haken unter Zuhilfenahme massiver Grundbleie 30 bis 50 Meter in die Tiefe des Indischen Ozeans, wo eine bunte Runde mir bisher größtenteils vollkommen unbekannter Fischarten sich daran macht, den Köder zupfend zu entwenden. Manchmal bleiben sie dabei hängen, was ein Ruckeln an der knüppelgleichen Pilk-Rute in der Hand des Fischenden auslöst.
Profis!
Frag mich keiner, wie das Tier heißt. Es schmeckt jedenfalls gut.
Schwierig wird es erst, wenn der Fisch an Bord ist. Denn ob Roter Römer, Grünäugiger Hai, Daggarad oder Soldat: Die meisten kurios getauften Tiefseegeschöpfe haben irgendwelche fiesen Stacheln oder Giftdrüsen. Jerry konnte das allerdings nicht aus der Ruhe bringen und so gingen wir mit einer Kühltruhe voll Fisch die Heimreise an. Trotz der absolut unspaghettimonsterlichen Abfahrtszeit um 5.30 Uhr schreit dieser Trip nach Wiederholung. Zumal wir angeblich noch viel tollere Fischarten mit mir größtenteils entfallenen Namen verpasst haben. Ich gelobe unterdessen auch wiederholte Aktivität an dieser Stelle.
Hai and bye!
In Wirklichkeit ist dieser ganze Mythos des freien Korrespondenten ja auch nur vorgeschoben, um meine obsessive Steinpilzsucht über die europäische Saison hinaus zu befriedigen. Der Plan ging nun auf der Südhalbkugel erstmals auf und zwar in einem malerischen Bergdorf mit dem noch malerischeren Namen Hogsback – was übersetzt so viel wie „Warzenschweinrücken“ heißt.
Meine Oma hatte Angst, dass ich ob der Entdeckung hiesiger Steinpilzvorkommen nun gar nicht mehr nach Deutschland käme. In Anbetracht dieser Tagesausbeute sollte sie beruhigt sein...
Pilze sammeln in Südafrika ist allerdings mit anderen Hürden verbunden als in Deutschland. Zwar läuft man in den hiesigen Kiefernplantagen seltener Gefahr von Hundertschaften Cross-Rallye fahrender Jäger über den Haufen gefahren zu werden und auch die fiese Pilzmade hat die Migration gen Süden wohl nicht mitgemacht, doch dafür bevölkern größere Pavian-Gruppen die Wälder und laben sich an den Steinpilz-Stielen. Die Kappen überlassen sie dann der sommerlichen Hitze, auf dass sie schaurig am Waldboden vergammeln. Ein tragisches Bild, an den beiden Tagen auf dem Warzenschweinrücken war ich allerdings oft genug vor den Affen da, sodass es letztendlich für eine ordentliche Portion Steinpilznudeln reichte.
Um meine Diät etwas eiweißreicher zu gestalten, ließ ich mich dann noch vom guten Skipper Jerry in die Geheimnisse des südafrikanischen Hochseeangelns einweihen. Weil Fischer-Kollege Ansgar mehr mit Fische anfüttern beschäftigt war, fanden Beres und ich in Jerry einen hervorragenden Ersatz-Partner für die Aufgabe, die obligatorische Flasche Old Brown Sherry zu leeren. Sonst beißen die Fische nämlich nicht. Das Angeln an sich ist relativ simpel: Man hängt halbe Sardinen an riesigen Haken unter Zuhilfenahme massiver Grundbleie 30 bis 50 Meter in die Tiefe des Indischen Ozeans, wo eine bunte Runde mir bisher größtenteils vollkommen unbekannter Fischarten sich daran macht, den Köder zupfend zu entwenden. Manchmal bleiben sie dabei hängen, was ein Ruckeln an der knüppelgleichen Pilk-Rute in der Hand des Fischenden auslöst.
Profis!
Frag mich keiner, wie das Tier heißt. Es schmeckt jedenfalls gut.
Schwierig wird es erst, wenn der Fisch an Bord ist. Denn ob Roter Römer, Grünäugiger Hai, Daggarad oder Soldat: Die meisten kurios getauften Tiefseegeschöpfe haben irgendwelche fiesen Stacheln oder Giftdrüsen. Jerry konnte das allerdings nicht aus der Ruhe bringen und so gingen wir mit einer Kühltruhe voll Fisch die Heimreise an. Trotz der absolut unspaghettimonsterlichen Abfahrtszeit um 5.30 Uhr schreit dieser Trip nach Wiederholung. Zumal wir angeblich noch viel tollere Fischarten mit mir größtenteils entfallenen Namen verpasst haben. Ich gelobe unterdessen auch wiederholte Aktivität an dieser Stelle.
Hai and bye!
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