Mittwoch, 27. April 2011

Wir sind umgezogen

Werte Leser und Mitstreiter, mein kleiner Online-Kuriositätenladen ist umgezogen. Unter www.selzsam.de haben wir kräftig ausgebaut, aber gebloggt wird auch immer noch.
Christian Selz

Sonntag, 10. April 2011

Ein leiser Sonntag

Die Frage nach dem eigenen Wohlbefinden, wird mir in Walmer Township auch heute immer noch mal wieder gestellt. Dahinter vermute ich eine seltsame Dankbarkeit der Viertel-Bewohner gegenüber der Bleichnase, die sich „mit ihnen einlässt“, einfach nur genau dafür. Dementsprechend nervt mich das, obwohl es natürlich eigentlich nur nett gemeint sein soll. Die Begegnung kurz vorm Anpfiff des Länderspiels zwischen Ägypten und Südafrika schien zunächst daher auch nur so eine von vielen zu sein. Nach dem ersten „Are you happy?“ fand ich sogar den selbst ernannten „Präsidenten von Walmer“, ein offensichtlich geistig verwirrter Alkoholiker, der viertel-bekannt ist und an diesem Tag mal wieder auftauchte, noch kreativer. Der vermutete nämlich, meine Freundin sei Japanerin, was zwar abwegig ist, ihn aber auch nach ihrem Bekenntnis zu Südafrika nicht davon abhielt, sein Mitleid über die Katastrophe in Japan auszuschütten. Einen kleinen Kritikpunkt hat er dann aber doch noch eingebaut, denn glaubt man dem Präsidenten von Walmer, haben die Japaner wahrscheinlich nicht ausreichend intensiv zu Gott gebetet. Wohl dem, der sich tagein tagaus in einer erdbebensicheren Zone 800 Kilometer entfernt vom nächsten Atomkraftwerk die Kante gibt.

Doch zurück zum eigentlich Mann des Tages. Der hatte nämlich mich nach meiner Herkunft gefragt und auf die Antwort nur kurz „Spräschen ssie deuts?“ geantwortet. Er war einmal in Brandenburg, erzählte er dann, „zum Arbeiten“, und als er mir dann auch noch von seinen Erlebnissen beim Motorradrennen auf dem Teterower Bergring berichtete, habe ich ihm die Geschichte auch spätestens abgenommen. Unter Honecker sei das noch gewesen, erzählte der Mann nicht ohne Stolz und vor allem nicht ohne ausdrückliche Dankbarkeit gegenüber der DDR. Seine dargebotenen Russisch-Künste kann ich zwar nicht qualitativ beurteilen, es klang aber echt… Damit war dann auch klar, was der Herr meinte, mit der „Arbeit“, von der er sprach. Vor mir stand ein ehemaliger Freiheitskämpfer, ein Soldat Umkhonto we Sizwes (MK), der im Exil in der DDR und in der Sowjetunion für den Kampf gegen das Apartheidregime ausgebildet worden war. Die BRD zog es zu der Zeit vor, ihre Unternehmen gepanzerte Fahrzeuge und sogar eine ganze Waffenfabrik an die rassistische Minderheitsregierung liefern zu lassen. Das war produktiver. Doch davon wollte der Mann gar nicht zu lang erzählen. Bafana Bafana spielte schließlich und siegte sogar sensationell durch einen Treffer in der dritten Minute der Nachspielzeit. Auf dem Platz vor der Fleischerei mit Grill und Kneipenanschluss, wo wir das Spiel auf eine Hauswand projiziert verfolgt hatten, bildeten sich Jubeltrauben. Keiner musste jetzt noch fragen, ob sich irgendwer wohl fühlte.

Irgendwie kamen wir dann später aber doch noch auf Chris Hani zu sprechen. Der Mann kannte den ehemaligen Stabschef MKs persönlich. Das verwundert nicht, Hani galt als volksnah und hat seine Truppen im Exil häufig besucht. Hani war die Verkörperung jener revolutionären Aufrichtigkeit, die in der heutigen politischen Elite Südafrikas so schmerzlich vermisst wird. Hani, das gilt als sicher, wäre 1999 Nachfolger Nelson Mandelas geworden. Und unter Hani, der später Generalsekretär der Kommunistischen Partei Südafrikas war, hätte Südafrika heute wahrscheinlich ein anderes Gesicht. Dass Hani tot ist, davon wollte der ältere Herr nichts hören. Er legte nur seinen Zeigefinger auf seine Lippen. Pause. „Er mag gegangen sein, aber hier drin ist er immer noch da“, sagte er dann leise, während er sich beide Hände flach auf den Brustkorb legte.

Am 10. April 1993, heute vor genau 18 Jahren, ist Martin Thembisile Hani, Deckname Chris, gegangen. Ein Rassist war vor seinem Haus vorgefahren und hatte seiner kleinen Tochter zu gewunken. Die hatte in der Tür auf ihren Vater gewartet, der gerade durch die Einfahrt schritt. Das Mädchen machte Hani auf den Fremden aufmerksam. Als er sich umdrehte fielen die Schüsse.

Dienstag, 15. März 2011

Fast wie versprochen

Waren dann doch ein paar Tage mehr, nun aber...



Lihleli will das neue Südafrika leben

Auf das außerschulische Engagement ihrer Tochter angesprochen, muss Nosandla Kutase lachen. „Manchmal habe ich fast die Nase voll, weil sie jeden Tag bei Masifunde ist“, scherzt sie. Lihleli ist gleichzeitig Chefredakteurin der Schülerzeitung, aktiv in der Kunstgruppe und lernt im Nachmittagsprogramm Learn4Life! einmal wöchentlich „fürs Leben“ – über gesundes Essen, Umweltschutz und Krankheitsvorbeugung zum Beispiel. Bei all dem Pensum kümmere sie sich überhaupt nicht mehr um ihre Aufgaben im Haushalt. „Faul ist die!“, schimpft die Mutter. Doch der Vorwurf ist natürlich kaum ernst gemeint. Nosandla bekommt glänzende Augen, wenn sie von der Zukunft spricht, die ihrer Tochter einmal möglich sein kann. „Ich bin froh, dass sie solche Chancen hat“, sagt sie. Denn ihr selbst waren sie verbaut.
Als die heute 43-Jährige zur Schule ging, eskalierte in und um Port Elizabeth der Kampf gegen die Apartheid. Streiks und Proteste prägten das Leben, immer wieder verschwanden Menschen in den Fängen der weißen Geheimpolizei. Nosandla hat ihr Abitur trotzdem abgelegt und danach eine Ausbildung zur Buchhalterin angefangen. Doch das Geld reichte nicht, vor dem Abschluss musste sie abbrechen. Trotzdem: Essen sei immer genug da in der Blechhütte, auch den Strom könne sie immer bezahlen. Das festzuhalten, ist ihr wichtig. Aber Luxus hat die vierfache Mutter immer nur gesehen, nie gehabt.

Jahrelang arbeitete Nosandla für eine Touristen-Lodge. Der Eigentümer sei oft verreist gewesen, neben der Herrichtung der Zimmer habe sie sich daher auch um die Buchungen und Abrechnungen gekümmert. Der Lohn waren umgerechnet 50 Euro pro Woche, im Februar hat sie gekündigt und zuhause eine kleine, private Kinderkrippe aufgebaut. „Ich bin es leid für andere Leute Geld zu machen“, sagt sie. Lihleli soll das einmal erspart bleiben. Am besten sollte die Tochter Anwältin werden – „um Leute über Ohr zu hauen, denn das ist es, was die machen.“ Für eine gesunde Portion Ironie ist in der kleinsten Hütte Platz.

Nun ist es nichts Ungewöhnliches, wenn Mütter in Walmer Township die rosigsten Zukunftsszenarien für ihre Sprösslinge herbei wünschen – nur bleibt es oft beim Traum, für die Realisierung fehlen Ausbildung und Kontakte. Lihleli ist da realistischer und sie vertraut auf ihr eigenes Talent: „Ich arbeite hart in allem, was ich mache, und versuche immer 100 Prozent zu geben.“ Ihr Einsatz bleibt nicht unbemerkt. Obwohl sie mit 14-Jahren und knapp 1,50 Metern die Kleinste in der Gruppe ist, hat die Schülerzeitungsredaktion Lihleli vor einem halben Jahr zur Chefredakteurin gewählt. „Ich war nicht sehr überrascht“, sagt sie selbstbewusst, „denn ich glaube, ich hatte den Job am meisten verdient und wollte ihn auch am stärksten haben.“ Was fast überheblich klingt, ist die pure Realität. Während andere Kinder gelegentlich eine Aufgabe „vergessen“ oder gar zur Stunde „wichtigere Aufgaben“ haben, ist auf Lihleli grundsätzlich Verlass. „Sie hat sich sehr gut entwickelt“, findet daher auch Nosandla. Auch Lihleli selbst hat bemerkt, wie die Arbeit in der Schülerzeitung sie verändert hat. Sie mische sich stärker ein als vorher. „Wenn ältere Jungs meinen kleinen Bruder ärgern, gehe ich raus und schimpfe mit denen – ich bin hilfsbereiter geworden.“

Das äußert sich auch in Lihlelis wahrem Berufswunsch. Umweltaktivistin will sie einmal werden und für den Erhalt der Natur kämpfen. Wenn möglich am besten mit den Mitteln, die sie momentan lernt, als Rechercheurin einer Umweltorganisation. „Wenn ich einen schönen Baum sehe, kann ich ihn minutenlang einfach nur ansehen“, begründet sie träumerisch.



Viele Naturschönheiten gibt es in Lihlelis kleiner Welt allerdings nicht. Walmer Township ist einer der am dichtest besiedelten Stadtteile von Port Elizabeth und zum Teil auf einer ehemaligen Müllkippe direkt neben dem Flughafen errichtet. Wenn der Wind mal wieder kräftig vom Meer bläst, fliegen die weggeworfenen Plastiktüten hier meterhoch durch die Luft, ehe sie irgendwann an einem rostigen Blechdach hängen bleiben. Auch Lihlelis Familie wohnt noch immer in einer Blechhütte. Sie warten auf das Hausbau-Programm der Regierung. „Die versprechen uns immer wieder ein Haus, aber wir wissen nicht, wann wir eines bekommen“, sagt Nosandla. Ein paar Straßenzüge weiter wird allerdings bereits kräftig gebaut, Lihlelis beste Freundin Asanda recherchiert gerade zu dem Thema.

Ihre Tochter soll sich später einmal nicht auf solche Versprechen verlassen müssen, das ist Nosandla schon heute klar. „Lihleli muss zur Uni gehen“, sagt sie. „Sie ist so vernarrt in Bücher und lernt so fleißig!“ Dass das nicht einfach wird, weiß sie, denn Hochschulbildung ist in Südafrika kostenpflichtig: „Wir haben das Geld nicht unter der Matratze, aber ich werde es versuchen.“ Doch vorerst wird Lihleli noch drei Jahre zu Schule gehen.

Dort an der Walmer High School haben Künstler gerade die kargen, grauen Wände mit vielen bunten Bildern verschönert. Viele Schüler schimpften, dass es bei ihnen jetzt aussehe, wie in einem Kindergarten, erzählt Lihleli. Doch sie hat sich die beiden Portraits unter den Malereien herausgesucht, um über die Persönlichkeiten dahinter zu schreiben: Nelson Mandela und Steve Biko. Der eine ist heute weltweit bekannt, der andere wurde mit 30 Jahren in Port Elizabeth zu Tode gefoltert, weil er für die Entstehung des schwarzen Selbstbewusstseins gegen die Apartheid gekämpft hat. „Die stärkste Waffe in der Hand des Unterdrückers ist der Geist der Unterdrückten“, hat Biko gesagt. In seiner Zelle in der Polizeistation des ehemals „weißen“ Teils von Walmer, nur knapp zwei Kilometer entfernt vom Township, haben sie auch ein kleines Portrait an die Wand gemalt. Lihleli war neulich da und hat sich alles angesehen. Sie lebt den Geist des neuen Südafrikas.

(zuerst erschienen in der Neuen Wernigeröder Zeitung)

Dienstag, 22. Februar 2011

Nächster Halt Weltherrschaft (Kauft Walmer’s Own!)



"Wir sind umgezogen", heißt es seit Kurzem bei Walmer's Own. Die Schülerzeitung, an deren Perfektion ich zusammen mit meiner reizenden Kollegin Racheal jeden Donnerstag arbeite, hat jetzt einen eigenen Redaktionsraum mit fünf Computern direkt im Masifunde-Büro-Haus. Dass wir die kargen Baracken der Walmer High School gegen diese schon fast professionelle Heimat eintauschen konnten, verdanken wir übrigens neben einer Reihe weiterer Spender auch den Vorstandsmitgliedern der Deutschen Journalistinnen und Journalisten Union (dju) in ver.di – die haben nämlich ihre alten Fachbuchbestände geschröpft, auf einem Buchbasar geopfert und hinterher eine Schicke Summe für die technische Ausstattung des Schülermagazins überwiesen. Vielen Dank dafür!

Damit auch ihr, verehrte drei Blog-Leser, was von dieser technischen Revolution habt, gibt es Walmer’s Own ab der nächsten Ausgabe auch digital – als E-Paper sozusagen. Für nur einen Euro im Monat auf unser Spendenkonto flattert jede Ausgabe unseres vierteljährlichen Magazins direkt in euren Posteingang, exakt in dem Moment, wenn sie auch in der Druckerei eintrifft. Die Vorteile: Ihr lernt Südafrika aus einer anderen Perspektive kennen und wir können erstens weitermachen und zweitens mehr (subventioniert verkaufte) Hefte drucken, um noch mehr Menschen in Walmer Township zu erreichen. Also, einfach Dauerauftrag über einen Euro einrichten an „Masifunde Bildungsförderung e.V., Spendenkonto: 160 585 6, Bankleitzahl: 509 500 68, Sparkasse Bensheim“ und Abo Walmer’s Own sowie die eigene Emailadresse (wegen Sonderzeichenverbot mit (at) statt @) in den Überweisungszweck schreiben.
Hier und hier stehen für Neugierige übrigens zwei alte Hefte zum Download.

Es dankt

Der große Verleger

PS: In ein paar Tagen bringe ich hier noch eine Geschichte über die Walmer’s Own Chefredakteurin unters Volk. Also weitersagen, der fünfte Leser bekommt einen Blumenstrauß.*


*Selbstabholer

Samstag, 12. Februar 2011

Wenn ich hier nicht permanent blogge, hat das natürlich – wie könnte es anders sein – meist mit harter Arbeit zu tun, die anderswo ruft. Weil mir das kein Warzenschwein glaubt, versuche ich es jetzt einmal zu dokumentieren.

Symbolbild.

Es ist Donnerstag-Abend. Es könnte der erste Abend in meiner neuen Behausung werden, die ich am Vortag bezogen, aber dann zur Prime-Time doch lieber gegen ein Gemeinschaftsforum mit Filmvorführung zum Thema „Die Rolle der Gemeinschaft beim Klimawandel und der Begrünung unseres Planeten“ eingetauscht hatte. Und auch am zweiten Abend wird es nichts mit Heimlichkeit zwischen den nach wie vor wild umherliegenden Taschen und Koffern. Nachdem ich mir den Morgen mit dem Versand von wohlklingenden Themenvorschlägen vertrieben, unter Mittag mit einem halben Dutzend Verkäufer-Seelen um meine neue Matratze gefeilscht und anschließend im Stammlokal des lokalen ANC-Büros in grober Missachtung des Vorabends eine halbe, gut durch gekochte Kuh und ein dreiviertel Maisfeld verzehrt hatte, war zumindest schon einmal Halbzeit. Nachmittags durfte ich dann meine munter verstreute Schülerzeitungsredaktion auf den Straßen Walmer Townships einsammeln, weil die Lausebengels und -mädels sich nicht eine Woche lang merken können, wo sie sich wann treffen sollen, und sie anschließend in die heilige Halle des neuen Masifunde-Multimedia-Raums einweihen, der ab sofort unser Redaktionszuhause ist.

Nachdem ich nur Stunden vor dem ersten Rammstein-Auftritt in Kapstadt über das mit der Räumlichkeit einhergehende Regelwerk und die neue deutsche Härte referieren konnte, war auch endlich der Masifunde-Bus von der Inspektion zurück und ich konnte ohne das halbe Klassenzimmer auf der Rückbank die Fahrt zum Supermarkt antreten. Die war nötig, weil ich mir meinen nächsten Arbeitsplatz erst noch erkochen musste. Auf dem Programm stand nämlich die sehnsüchtig erwartete Rede zur Lage der Nation, mit der mich der ehrwürdige Staatspräsident Jacob Zuma auf gleich zwei von vier frei verfügbaren Fernsehkanälen begrüßen würde. Das Problem besteht nur darin, dass auch frei verfügbare Sender zum Empfang ein Empfangsgerät voraussetzen. Und weil ich den Besitz eines solchen ob der Qualität eben jener Sender für redundant halte, quartierte ich mich bei einer Kollegin ein – die dafür Wegezoll in Form von Verspeisbarem verlangte.

Als Zuma fertig war, all die ehrenwerten Gäste einzeln zu umschmeicheln und auch die ausländischen Journalisten ausdrücklich begrüßt hatte, waren auch die Nudeln al dente. Irgendwo zwischen all den positiven Programmankündigungen und gut gemeinten Versprechungen (die ich etwas ernsthafter hier niederschrieb) hat mich der Präsident dann allerdings schwer verwirrt. Er lobte sich für den Bau zweier neuer, klimaschonender Kohlekraftwerke, die später einmal dafür sorgen sollen, dass die Zeiten der geplanten, stadtteilweisen Stromabschaltungen am Kap nicht so schnell wiederkehren und die jetzt schon dafür sorgen, dass sich der ANC und einige seiner ehrenwerten Wirtschaftspartner über einen milliardenschweren Weltbank-Kredit so richtig schön die Konten füllen. Das soll ja auch alles so sein, genau dafür haben Biko, Hani und Co ja schließlich ihr Leben gegeben. Aber dann sprach Zuma davon, dass das Fußvolk auch weiterhin Strom sparen müsse, wegen der Umwelt und des ewigen Lichts und sowieso. Und noch ehe ich gehorsam den Fernseher auschalten wollte, sagte er das Unfassbare. Wir sollen tagsüber den Warmwasserboiler abstellen. Schockstarre. Das aus dem Mund eben jenes Mannes, der die heiße Dusche einst unsterblich machte. Für die Zukunft kann es da nur heißen: Aids oder Stromausfall. Für mich hieß es aber zunächst: Lachen unterdrücken, zuhören, mitschreiben. So oder so, das Leben ist hart.

Dienstag, 25. Januar 2011

Sie haben keine Wal

Weil ich gerade absolut verdient im Urlaub verweile, gibt es mal wieder etwas Konserven-Kost, vorabgedruckt in der jungen Welt. Südafrika hat nämlich die große Ehre, den netten Konzern Wal-Mart willkommen zu heißen. Die Euphorie hält sich allerdings noch merklich in Grenzen - und das in einem Land, in dem Menschen einst "We love you, Mr. Blatter" auf Plakate schrieben... Hier der Link.

Freitag, 21. Januar 2011

Sonntag im Zoo



Nur einen Zoo gibt es in Südafrika noch. Als ich so durch das schattige Areal unter den herrlich grünen Bäumen in East London wandelte, kam mir der Gedanke, dass das auch gut so ist. Für umgerechnet 2,50 Euro geht’s rein in die Welt der verstörten Affen, Tiger und Wölfe. Sogar drei Schlangen sind hier in Glasboxen von der Größe eines mittleren Fernsehers ausgestellt. Eine kommt aus den Südstaaten der USA, eine ist heimisch und die dritte hat kein Namensschild mehr. Vermutlich handelt es sich um Thabo Mbeki. Kleiner Polit-Joke am Rande…





Die Giraffe erfreut sich neben ein paar Böckchen relativer Lauffreiheit. Man fragt sich lediglich, warum das Tier hier mitten in der Innenstadt, nur einen Katzenwurf von der Haupt-Minibus-Station entfernt, überhaupt ausgestellt wird, wo Giraffen doch auch in der näheren Umgebung in großer Zahl ihre langen Hälse in den Himmel strecken. Doch diese Frage müsste man sich dann auch bei der Kuh stellen, die ein paar Meter weiter neben dem Kamel auf der Wiese steht. Doch das sind Luxusprobleme. Die offensichtlich verhaltensgestörten Paviane haben es da in ihrem verdächtig nach außen verbogenen Käfig schon wesentlich schwerer. Während der Tiger wenigstens noch etwas Platz zum tigern hat und sich das kleine Rudel Wölfe in seinem schlauchförmigen Gehege immerhin auf und ab den obligatorischen Wolf laufen kann, erschloss sich mir nicht, ob das Nil-Krokodil nur zu faul oder in seiner Badewanne einfach des Platzes beraubt war, sich einmal umzudrehen. Ja, so ein Zoo ist schon eine tierfreundliche Einrichtung. Zumindest für die Kaninchen, die überall frei rumliefen und sich sichtlich über die Gefangenen lustig machten.









Man glaubt nun, das Leben der Tiere sei bereits hart genug. Doch weit gefehlt, es gibt ja noch die Zoo-Besucher. Ich habe noch nirgendwo Menschen so schamlos Affen mit Erdnüssen füttern, Giraffen mit Pullovern schlagen oder Raubkatzen mit plötzlichem Klatschen animieren sehen, wie in diesem Innenstadtidyll East Londons. Der Höhepunkt war allerdings die Familie mit drei Kindern, die dem Schimpansen tatsächlich ihre Pepsi zuwarfen. Gut, so konnte er wenigstens zwischen den beiden Marktführern für derlei Brausen wählen, denn Coca Cola war natürlich auch hier schon zuerst vertreten. Zumindest die Besucher haben es also verinnerlicht, das Motto, das die Toten Hosen einst besangen: „Hier sind wir frei, an einem Sonntag im Zoo.“