Mittwoch, 3. Dezember 2008
Jeden Tag ein neuer Plan
So gut wie die vergangene hatte ich wohl seit langem keine Reise geplant. Ich musste nicht einmal zum Flughafen hetzen, weil ich mit dem Rucksackpacken schon zehn Minuten vor Abfahrt fertig war – das entspricht bei mir ungefähr fünf Sekunden Vorsprung beim Hundertmeterlauf. Ich hatte Übernachtungen gebucht, Anfahrtsrouten ausgedruckt, ja selbst die Führung im Krüger Nationalpark war schon terminiert, lokalisiert und obendrein sogar bezahlt. Im Nachhinein weiß ich, was eine so detailgetreue Reiseplanung bringt: In Afrika nämlich gar nichts! Die Reise lief, sie lief gut, aber eben nie nach Plan. Doch der Reihe nach, in Kapiteln, fein bebildert und gegliedert:
Mein Rucksack war unter den Top Ten der Gepäckstücke, die am Oliver Tambo International Airport in Johannesburg auf dem Laufband ihren Herrchen und Frauchen entgegen fuhren. Nur Minuten später waren auch meine Reise-Kollegen Björn und Martin zur Stelle und ab ging die Post in einem City Golf (das ist eine Art Golf I mit neuem Motor, der hier immer noch gebaut wird), zu dessen Odoeur zu sagen ist, dass wir anfangs über den Erwerb eines Fisches nachdachten. Der hätte nach drei Tagen in der Sonne nämlich wenigstens eine kleine Chance gehabt, den widerlichen Gestank nach alten Socken in diesem Mietfahrzeug in den Hintergrund zu stellen. Doch keine Angst liebe Tierschützer, der Fisch schwimmt noch immer wie ein Revolutionär im Wasser, denn der Mensch gewöhnt sich ja auch so an alles. Die Ursache des Gestanks haben allerdings auch die wirklich eifrigen mosambikanischen Polizisten nicht ausfindig machen können. Wobei ich denen unterstelle, dem üblen Geruch auch gar nicht nachgegangen zu sein, schließlich stinkt Geld ja nicht. Doch dazu später mehr, vorerst zurück auf die Straße.
Mangels effektiven Kartenmaterials haben wir uns zunächst üppig in Pretoria verfranst, wo wir eigentlich gar nicht hingemusst hätten, somit aber Björn genügend Zeit in funknetzhaltiger Luft gegeben, um unseren Trip in den Krüger den veränderten Gegebenheiten anzupassen. Die Nacht in Johannesburg musste nämlich weichen, weil meine Reisebrüder ganz spontan eine internationale Wasserkonferenz in der Nähe des Krüger-Parks besuchen durften und ob der Wichtigkeit der dort anwesenden Wasserpolitiker auch wollten. Die beiden schreiben in dem Feld nämlich gerade in Gaborone, Botswana, ihre Diplomarbeit. Nach endlosen Telefonaten mit den verschiedensten, meist nicht zuständigen Menschen war gegen 16.30 Uhr klar: Wir fahren direkt in den Krüger. Das Blöde daran: Wir hatten nur noch viereinhalb Stunden Zeit bis Tor-Schluss um 21 Uhr. Nach einer primär vom Sicherheitsgedanken geprägten, aber doch zielstrebigen, ja wenn nicht gar sportlichen Tour durch Regen, Nebel, Stau und Dunkelheit, erreichten wir das Tor des Krüger Nationalparks im Stile eines guten Sprungpferdes um 20.59 Uhr.
Die Nacht war so knapp geplant wie die Reise und um 3.30 Uhr ging es hoch zur Morgenwanderung. In konstantem Nieselregen bewunderten wir gigantische Schnecken, Revier beschreibende Nashorn-Toiletten und sagenumwobene Giftpilze, ehe dem zu dieser Zeit noch aktiv teilnehmenden Ranger auffiel, dass er des Prasselns des Niesels wegen die längst herbei schleichenden Raubtiere womöglich zu spät hören könnte, weshalb er die Tour abbrechen musste. Jetzt allein aus der Tatsache, dass das Ranger-Duo erstmal telefonisch aus dem Schlaf geklingelt werden musste, um mit halbstündiger Verspätung überhaupt ins Abenteuer Wildnis zu starten und der ungewohnten Eigenart des zweiten Rangers, mit grimmiger Mimik immer mindestens 50 Meter vorweg zu stapfen, eine Verschwörung zu konstruieren, dass die Jungs einfach keinen Bock hatten, liegt mir natürlich völlig fern. Ich habe mir dann auf der Flucht aus der Regen-Hölle des Löwen noch ein paar Fragen zu Vögeln und Termiten erlaubt, sodass wir immerhin noch erfuhren, dass es Ameisen gibt, die fünfzig bis sechzig Meter tiefe Gänge graben, und dass nach Honig lechzende Vögel Menschen zu Bienenstöcken führen, allerdings nur solange, wie sie auch einen Teil der Beute bekommen, da sie ansonsten die Zweibeiner direkt in die Fänge einer Schwarzen Mamba treiben. Nun will ich auch hier die Kompetenz des Rangers nicht in Frage stellen, gebe aber zu bedenken, dass der Unterhaltungswert dieser Informationen über ihrem Wahrheitsgehalt liegen könnte. Größere Wildtiere sprangen uns dann nicht mehr unter die Augen, lediglich eine Gruppe Hyänen zeigte sich in der Ferne, suchte aber nicht uns sondern das Weite.
"...und dann schwebt der Vogel so zum Angriff heran, ehe ein riesiger Dämon, besessen vom Rausch der Pilze..."
Weite zu finden, ist im Krüger Park allerdings nicht schwer, wie uns bei unserer anschließenden Tour durch die endlose Buschlandschaft des Nationalparks mit der Fläche Belgiens auffiel. Etliche Tiere stellten sich dabei zum Portrait vor, hier die Gewinner des Castings:
Punkrock!
Tööööröööööh!
Wenn schon kein Leopard, dann wenigstens eine Leopardenschildkröte...
Hier tigert eine Löwin.
Beweglicher Stein mit Augen
Ich wollte schon immer wissen, was das Gegenteil von "Köpfe zusammenstecken" ist...
Einer der "Dead Five"
Gibt's auch in lebend.
Die Wasserböcke gucken nach Wasser.
Diese Kollegen wiederum gucken nach Wasserböcken, die kein Wasser gefunden haben...
Nachdem ich meine Konferenz-Teilnehmer abgeladen hatte, verblieb ich noch zwei Tage im Krüger, sah Löwen, hörte des Nachts vom Zelt aus Löwen beim Machen neuer Löwen und grillte Teile einer Kuh. Bei einem meiner Ausritte begegnete ich, auch ganz ohne irgendwie mit dem Honig-Vogel verhandelt zu haben, einer Schwarzen Mamba. Die schlaue Schlange schlängelte sich direkt vor meinem Käsefuß-Wagen auf die Straße und überlebte nur dank meiner schlagartig eingeleiteten Vollbremsung. Die Räder kamen dabei vor der Schlange zu stehen, nicht jedoch der Motorraum, der geschätzt über ihr war, was die Schlange zwar beruhigt haben dürfte, auf mich aber eher gegenteilig wirkte. Das Tier tauchte jedoch recht bald neben mir im Gras auf, was ich fair fand. So sind sie halt, die Schlangen.
Irgendwo unterwegs in einem Camp fiel mir dann auch noch eine Broschüre in die Hand, die den „Fünften Wildhund und dritten Geparden Foto-Wettbewerb“ anpries. Als Freund wilder Hunde und schneller Katzen griff ich natürlich zu und fand mich dann am letzten Morgen im Park tatsächlich inmitten von drei der letzten 350 Wildhunde des Parks wieder, die gerade an den Beinen einer Antilope herumkauten. Mit etwas Glück winkt mir jetzt also ein weiteres Wochenende in einer Edel-Lodge im Krüger Park. Ohne die Teilnahmebedingungen studiert zu haben, präsentiere ich Euch, verehrte Leserschaft, hier bereits eine Vorabveröffentlichung des mutmaßlichen Sieger-Fotos.
Schön lächeln, kleiner Wauwau!
Auf dem Weg zurück aus dem Park konnte auch ich dann noch einem afrikanischen Wasserkonflikt beiwohnen, der jedoch sehr diplomatisch beigelegt wurde. Beide Kontrahenten zeigten sich da wenig dünnhäutig, was ich von den zweibeinigen Wasserpolitikern nicht weiß, aber auch nicht annehme. Zu denen fuhr ich dann, um meine Freunde einzusammeln und die neuesten Reiseplan-Änderungen zu erfahren. Näheres dazu gibt es morgen, hier nun noch zur guten Nacht die Bebilderung des Streits ums edle Nass. Ich habe die Elefanten den Pinguinen vorgezogen, zumal ich die nicht um Erlaubnis fragen musste.
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7 Kommentare:
Wahnsinnsfotos! Hat sich schon ausgezahlt, die Kamera..
MÄÄÄÄHR!
Ich hab noch nie zuvor einen beweglichen Stein mit Augen gesehen! Super Sache! Danke für die Horizonterweiterung!
Bringst du mir einen mit, wenn du irgendwann mal wieder kommst?
Neenee Alder, die beißen, sach ich dir!
Da hat aber einer was erlebt, alle Achtung. Kannst du nicht irgendwo im Netz ein Fotoalbum anlegen, damit es noch mehr Bilder zu gucken gibt?
Hey Jensen, sorry, aber das saugt grad einfach zu viel Zeit und außerdem fressen Bilder auch ziemlich MBs, die ja immer noch teuer sind... Aber ich liefere in äußerst absehbarer Zeit die Fortsetzung des Reiseberichts, dann auch wieder mit nem guten Schwung Bildern. Ansonsten dann nächstes Jahr mal ne seltsame Dia-Show auf Heimatbesuch...
also wenn ich nicht selber mit dabei gewesen wäre, würde ich es nicht glauben und an alle Leser: der zweite Teil wird noch kurioser :)
Die Bildunterschriften waren ein wahrer Gehirnschmaus!
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