Am Dienstag war in Südafrika Nationalfeiertag, Freedom Day genannt. Für die revolutionäre Studenten-Organisation SASCO markiert der Tag heute nur noch den Moment, in dem die wirtschaftliche Freiheit im Tausch für politische Freiheit aufgeben wurde.
"Wir haben eine Demokratie erkämpft, die den Reichen das Recht gibt, Politik und Wirtschaft zu regieren", ließ SASCO-Präsident Mbulelo Mandlana starke Worte folgen.
Erstmal ist aber WM und noch müssen sich deswegen alle lieb haben, denn sowas kommt ja so schnell nicht wieder. Ich habe aber schon in etlichen Interviews und Gesprächen die Einschätzung gehört, dass der Verteilungskampf danach eine andere Dynamik bekommen könnte. Und das ist auch bitter nötig. Denn wenn Präsident Zuma sich jetzt anlässlich des Freiheitstags wieder nur hinstellt und bemerkt, dass die Apartheid ein schweres Erbe hinterlassen hat, das sich immer noch stark auf die Verhältnisse im Land auswirkt, dann ist das zwar richtig, aber 20 Jahre nach dem Beginn der Demokratisierung und 16 Jahre nachdem der ANC Regierungspartei wurde, ist das einfach viel zu wenig. In vier Jahren würden keine Ausreden mehr gelten, meint Zuma. Das sehe ich ganz genauso. Ich befürchte nur für ihn, dass viele schon Ende Juli, wenn es bei Temperaturen um die fünf Grad mal wieder im Wintersturm durchs unisolierte Blechdach regnet, einen wesentlichen Teil ihrer Geduld verlieren.
Der ANC schafft es nicht, seine unbestrittenen Erfolge medienwirksamer darzustellen. Das liegt zum Einen an den Gazetten des Landes, die vorrangig wirtschaftsliberal geprägt sind. Das liegt aber auch daran, dass die Regierungspartei den Zeitungen durch eine endlose Reihe von korrupten Verteilungsprozessen, Untätigkeit, haarsträubendem Missmanagement und Vetternwirtschaft bei der Vergabe von Posten immer genügend Futter liefert. Die Opposition versucht davon zu profitieren, hat aber auch keine glaubwürdigen Konzepte und hat sich viel zu sehr auf ein wohlhabendes Klientel konzentriert, als das sie für das Gros der Armen wählbar wäre. Es wirkt zudem etwas kurios, wenn sich ein von Weißen gelenkter Verein nun 16 Jahre nach Ende der Apartheid hinstellt und bemängelt, dass die Befreiungsbewegung der Unterdrückten, der ANC, den Wohlstand nicht schnell und gerecht genug herbei führt, den die Weißen allen anderen Bevölkerungsgruppen einst gewaltsam vorenthalten haben. In Südafrika im Jahr 2010 sind beileibe nicht alle hellhäuigen Menschen Rassisten, aber wen wählen wohl die Menschen, die der National Party jahrzehntelang die Stimmen und die Unterstützung für die Apartheid geliefert haben?
Wenn es den zuletzt erstmals offen aufmuckenden Gewerkschaften endlich gelingt, die soziale Frage im Land nicht nur auf ihre Stammklientel, die Beschäftigten, zu begrenzen, sondern ganzheitlich zu sehen, dürfte sich in dieser Ecke ein wesentlich stärkerer, aussichtsreicherer und für die Armen auch nützlicherer Widerstand entwickeln. Wir werden es sehen. Doch wie gesagt, erstmal ist WM. Und morgen 1. Mai. Man darf gespannt sein, ob es die Gewerkschaftsführer, die ja in der Dreier-Allianz mit dem ANC verbandelt sind, dort ebenfalls bei Durchhalteparolen belassen, oder den eingeschlagenen Konfrontationskurs der letzten Wochen sogar noch vertiefen.
Zur Rolle der Gewerkschaften habe für 1.Mai-Beilage der Jungen Welt einen Artikel beigesteuert, der leider nur für Online-Abonnenten ersichtlich ist. Ein kurzer Text zum Freiheits-Tag findet sich hier.
Freitag, 30. April 2010
Lesestoff zu den Feiertagen
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