Mittwoch, 9. Juni 2010

Die Geschichte hinter den drohenden WM-Streiks

Neben der WM passieren in Südafrika tatsächlich auch noch andere Dinge und im Geräuschpegel von Millionen Vuvuzelas wäre so fast untergegangen, dass eine Horde gieriger ANC-Kader ziemlich fahrlässig den Fortbestand der Allianz mit dem Gewerkschaftsbund COSATU riskiert hat. Und auf einmal drohen Streiks zur WM. Aber warum denn nur, wieso denn bloß?

Man sieht: Es geht um Fat Cats.

ANC und COSATU sind – mit der kommunistischen Partei Südafrikas als dritten im Boot – seit dem Kampf gegen die Apartheid fest miteinander verbündet. Zuletzt hatte es aber immer mehr gekriselt, weil wirtschaftsnahe Kreise im ANC die politische Agenda lieber allein bestimmen und die Allianz-Partner eher als nützliches Stimmvieh denn echte Partner betrachten. Die Wirtschaftsnähe dieser Damen und Herren rührt übrigens nicht selten daher, dass sie ihre Lebenspartner, Kinder, Geschwister, Strohmänner oder manchmal auch einfach sich selbst mit lukrativen Aufträgen oder Unternehmensbeteiligungen versorgt haben und weiter versorgen. Letzteres wird dann häufig noch als großer Erfolg der „Revolution“ dargestellt, weil ja nun Schwarze in Führungspositionen sitzen. Gerade so, als hätten die Arbeiter, Lebenskünstler und Arbeitslosen des Landes noch nicht erkannt, dass ein schwarzer Boss sie mindestens genauso schlecht behandeln und genauso gut feuern kann wie ein weißer Boss.
Dem COSATU-Generalsekretär Zwelinzima Vavi, dessen Frau übrigens – das sei der Vollständigkeit halber erwähnt – von einem Finanzdienstleister ordentliche Bezüge kassiert, damit sie dafür sorgt, dass Gewerkschaftsmitglieder ihre Rentenversicherungen bei dem betreffenden Unternehmen abschließen, ging das nun entweder alles ein bisschen zu weit oder er brauchte nur einen passenden Mantel, um seine Attacke auf die nach wie vor neoliberale Alleinherrschaftspolitik des ANC zu verkleiden. Jedenfalls hat er Präsident Jacob Zuma öffentlich dafür kritisiert, nicht gegen die Korruption und Selbstbelohnung in den eigenen Reihen vorzugehen – schön mit Namen und Hausnummern von zwei Ministern. Die fanden das erwartungsgemäß unappetitlich und schwuppdiwupp ein paar Tage später brachte ein Führungsgremium des ANC ein Partei-Disziplinarverfahren gegen Vavi auf den Weg. Der ist nämlich wegen eingangs erwähnter Allianz gleichzeitig ANC-Mitglied und somit per Protokoll natürlich verpflichtet bei korrupten Machenschaften schön die Klappe zu halten. Zumindest haben das einige ANC-Helden recht unverblümt so rübergebracht. Ein Glück, dass der ANC nicht in die Hölle sozialistischer Unfreiheiten abgedriftet ist, möchte man da hinzufügen. Viva Taschenbefüllung!

Die Reaktion der Gewerkschaften war ein Proteststurm, der den ANC zur Rücknahme dieses wahnwitzigen Versuchs der Partner-Abstrafung gezwungen hat, aber das Spiel ist natürlich noch lange nicht aus. Es geht nach wie vor um den politischen Einfluss auf Regierungsentscheidungen und COSATU will da viel mehr mitreden als bisher. Nur ein Beispiel: Der ANC hat im Alleingang der halbstaatlichen Stromgesellschaft Eskom eine Verdopplung der Strompreise in den nächsten drei Jahren versprochen, die ersten 25 Prozent kommen schon dieses Jahr auf die Rechnung. Die ganz dicken Industriefische zahlen übrigens jetzt schon bis zu hundertmal weniger als die Mama mit acht Kindern in ihrer Township-Hütte. Diese dicken Fische, Aluminiumschmelzen und dergleichen, haben übrigens auch langfristige Verträge und zahlen weiterhin keinen Cent zusätzlich. Diese Industriebetriebe zahlen sogar weniger als den Preis der Stromproduktion, sie werden also quasi von den Armen noch indirekt bezuschusst – aber das nur als populistischer Einschub am Rande.

COSATU findet das weniger schön. Aber COSATU ist eben auch – anders als der ANC – nicht über seinen Investmentflügel an der Firma beteiligt, die von dem schönen vielen neuen Geld, das Eskom nun bekommt, lukrative Aufträge beim Kraftwerkbau bekommt. Auch von dem milliardenschweren Weltbankkredit, den der ANC für Eskom durchgewunken hat, hat COSATU daher nichts.

Kein Wunder, dass die neidisch sind. Und weil die zuständige Regierungsbehörde die monatelange Forderung COSATUs, die Strompreiserhöhung zurück zu nehmen, nun am 14. Juni, drei Tage nach WM-Start, beraten will, haben die miesen Erpresser von den Gewerkschaften nun angekündigt, ebenfalls am 14. Juni über Streiks zu beraten. Und eines ist sicher: Wenn COSATU streikt, dann ist Ruhe im Land. Das wusste die Regierung zwar lange vorher, aber wenn die Fat Cats eines gelernt haben, dann ist es die Übung, den Schuldigen immer woanders zu suchen. In den eigenen Taschen kann der schwarze Peter ja schließlich nicht stecken, denn die sind schon anderweitig voll.

Ich habe zum Thema auch zwei Artikel am alles regelnden Markt. Einen in der jungen Welt und einen in der heutigen Ausgabe des Weser Kuriers. Es verbleiben mehr als 23 Stunden zum Kauf, denn online wird es das Stück wohl nicht geben.

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