Mittwoch, 24. September 2008

Hauptsache Chiefs

Gestern habe ich mir ein weiteres riesiges Stück Lebensqualität gesichert: Endlich wieder Fußball. Und das gleich im Doppelpack, doch der Reihe nach:

Gestern Abend stand zunächst das Spiel der Kaizer Chiefs gegen die Mamelodi Sundowns an. Die Chiefs sind ungefähr gleichauf mit den Orlando Pirates Südafrikas größter und auch populärster Club, die Sundowns sind aber auch recht groß, was dann dazu führte, dass dem Match hier im Township ziemlich entgegen gefiebert wurde.

Man muss dazu vielleicht wissen, dass südafrikanische Fußballfans mit europäischen nicht unbedingt zu vergleichen sind. Von welchem Team man Fan ist, hängt eigentlich nie von der Stadt ab, in der man wohnt. Port Elizabeth hat beispielsweise auch eine Erstligamannschaft, aber auf den Wänden der Hütten und Häuschen im Township sieht man nur die Embleme von den Chiefs und den Pirates. Auch die Rivalität ist rein sportlich, wirkliche Fanfeindschaften gibt es nicht.

Ich war jedenfalls mit Juice, der auch schon in jener denkwürdigen, just vergangenen Samstagnacht Teil der Crew war, in einem Shebeen zum Fußballgucken verabredet. Shebeens sind unlizenzierte aber doch irgendwie anerkannte Townshipkneipen, in denen der Drinkhallstyle geboren sein könnte. Ach so und diese Samstagnacht, hab ich da noch nicht von berichtet? Das war Absicht. Nur soviel: Nach dem Erwachen hielt auf unserer Küchenfensterbank ein von einem Pappaufsteller abgetrennter Jack-Daniels-Kopf Wache.

Aber zurück zum Kneipen-Fernsehabend. Erstmal liefen die Nachrichten, während derer irgendwelche Aussagen über den gerade zurückgetretenen Präsidenten Thabo Mbeki auf Xhosa stichpunktartig neben seinem Portraitbild aufgelistet wurden. Schon diese Prozedur begleiteten die anwesenden Leute – vermutlich in Einstimmung auf das Spiel – mit einigen „Ya man!“ und „Amen“. Worum es nun genau ging, weiß ich nicht, Juice meinte nur: „Politics“.

Mit Politics war dann auch ganz schnell Schluss, als die Aufstellungen der Teams auf der Bildröhre erschienen. Das Spiel war übrigens kein gewöhnliches, sondern ein Pokalfinale. Was für ein Pokal das war, schien allerdings irrelevant, wichtigste Zusatzinformation zu dem Kick– die ich bisher ungefähr von acht verschiedenen Leuten zu hören bekam – war, dass es um 8 Millionen Rand (circa 750 000 Euro) ging. Nun denn, wir einigten uns darauf, dass wir die Kohle auch alle gern hätten, orderten noch ein Pils (praktischerweise in 0,75 Liter Fläschchen, damit keiner vor der Halbzeit wegen Nachschub Unruhe macht) und dann ging’s los.

Das Spiel war eine Lehrstunde darin, wie man mit Torchancen nicht umgeht und endete trotz einiger Unsicherheiten beider Defensivreihen und Keeper 0:0. Die Verlängerung brachte auch nichts außer Spannung und vergebenen Chancen, ehe die Chiefs sich mit 4:3 nach Elfmetern durchsetzten. Das war voll nach dem Sinn der meisten Anwesenden und das Tornetz hatte sich noch nicht vom letzten Schuss beruhigt, da standen schon die Hälfte der Leute vor der Tür und tröteten mit ihren Trompeten um die Wette. Auf dem Weg nach Hause haben wir dann noch den einzigen verbliebenen Sundowns-Fan „getröstet“ („Maybe next time!“) und einen Frei-Vodka in einer anderen Shebeen auf dem Weg abgegriffen, ehe es rasch ins Bettchen ging, denn…

… ja, denn: Heute folgte Teil zwei des Fußballprogramms. In der Kneipe hatte Juice mich nämlich Bailey vorgestellt, dem Coach der Young Chiefs, einem lokalen Fußballverein. Ich erschrak dann aber doch leicht, als Bailey mir erstmal entschuldigend beibrachte, dass sie leider nichts bezahlen könnten. Also hab ich mal vorsichtshalber gefragt, in welcher Liga die Herren den spielen und siehe da, der mir zugedachte Verein spielt viertklassig. Trotzdem, zum Training heute um 16 Uhr sollte ich unbedingt kommen. In der Erwartung, die fußballerische Abreibung meines Lebens zu bekommen, bin ich dann da mal hin, aber eigentlich nur, um nicht zu kneifen. Doch so unglaublich hoch war das Niveau dann doch nicht. Die Jungs spielen schon einen schnellen und technisch auch echt guten Ball, aber ich würde sie auf Deutschland übertragen so zwischen Kreis- und Bezirksliga einordnen. Nach der Übung wurde ich jedenfalls direkt gekauft und morgen steht schon die nächste Einheit an. Ich bin gespannt und bleibe dran. Vielleicht wird’s ja doch noch was mit meiner Profi-Karriere…

PS: Falls sich jemand wundert, warum ich mich in der Woche in Shebeens herumtreiben und nachmittags kicken gehen kann: Heute war in Südafrika Heritage-Day, ein nationaler Feiertag. Und zu vererben hatte ich ja nix, da musste ich mir was anderes einfallen lassen.

4 Kommentare:

jensen hat gesagt…

Also der südafrikanische Fußball ist zwar, wenn man sich die Leistungen der Nationalelf in der jüngeren Vergangenheit anguckt, momentan nicht der allerbeste, aber auf eine Profikarriere würde ich mir an deiner Stelle trotzdem keine allzu großen Hoffnungen machen. Hat bei mir auch nicht geklappt, als ich beim Austausch in meiner kanadischen Schulmannschaft sämtlich Gegenspieler schwindlig gespielt habe.

Schleufi hat gesagt…

Immerhin - mal viertklassig gespielt zu haben, kann auch nicht jeder von sich behaupten. Dass das in Südafrika war, musste ja gar nicht sagen...
- der Schleufi

Katja hat gesagt…

Lieber Christian,

du wirst die vier wohl nicht los...
Falls deine Kollegen mal einen Fußball Austausch planen, sag' Bescheid. Wir sind dabei (vermutlich ohne Ball, dafür mit Kamera).
Alles Gute für dich -
wünscht Frau Runge

Svenja hat gesagt…

Hey Christian,
ich bin begeistert von Deinem Fußballbericht und er erinnert mich gleich an meinen eigenen Besuch eines Spiels der Kaiser Chiefs...ach ja, schön wars.:-)

Schön, dass es Dir gutgeht. Ich freu mich schon auf weitere Berichte von Dir aus dem wunderschönen Südafrika.

Liebe Grüße in den Süden
Svenja