Montag, 12. April 2010

Futter für die Schweine

Eugene Terre’Blanche ist tot. Aber was schreibe ich das überhaupt noch. Inzwischen müsste es ja jeder nicht vollkommen von der Medienwelt isolierte Deutsche mitbekommen haben – garniert mit den unglaublichsten Geschichten von angeblichen Rassenkriegen, Macheten-Banden und WM-Bedrohungen. Wer Südafrika nicht kennt, mag solche Ammenmärchen womöglich sogar glauben. Das macht die Sache unangenehm für die Südafrikaner. Wer allerdings aus Südafrika berichtet, sollte wissen, dass Terre’Blanche ein hoffnungsloser und in sämtlichen Bevölkerungsgruppen völlig isolierter, ewig gestriger Rassist und Hilfs-Nazi war. Weil zwei seiner Farmarbeiter seinen Schädel nach einem Streit über die nicht gezahlten 350 Rand (35 Euro) Monatslohn (!) mit einer Machete und einem Gehstock in die breiartige Masse verwandelt haben, die sein Hirn anscheinend schon seit Jahrzehnten hatte, und ein paar irre Spinner der laut einer relativ hohen Schätzung des Mail & Guardian ganze 5000 Anhänger umfassenden Afrikaner Weerstandsbeweging (AWB) eine Kriegserklärung gegen Schwarze verfassten, bricht dieser Konflikt in einem Land wie Südafrika noch lange nicht aus. Wer hier wohnt und arbeitet, der weiß das auch.

Wer allerdings wie Focus Online und Süddeutsche.de (mit Verweis auf dpa) die – zumindest in ihrer Nazirhetorik – um weiße Vorherrschaft kämpfende, burische AWB zur „Afrikanischen Widerstandsbewegung“ macht, scheint nicht einmal den Unterschied zwischen „Africans“ (Schwarzen) und „Afrikanern“ (Afrikaaner oder Buren) im südafrikanischen Sprachgebrauch verstanden zu haben. Auch die FAZ überhöht online die Rolle der AWB völlig, wenn sie schreibt: „Noch dazu ist die Partei Terre‘Blanches in den vergangenen Jahren in Vergessenheit geraten. Die weißen Farmer haben sich auf ihre Bauernhöfe zurückgezogen oder sind ins Ausland abgewandert.“ Das unterstellt sämtlichen weißen Farmern indirekt, frustrierte Anhänger einer rechtsextremen Rassistenvereinigung zu sein. Die Wahrheit ist das beileibe nicht. Nach einer Schätzung der New York Times hatte die Terrororganisation, die bei verschiedenen Aktionen hunderte Schwarze ermordete, zu ihrer Hochzeit 1988 fünf bis sieben Prozent der weißen Südafrikaner hinter sich. Das hängt nun auch wieder nicht einzig mit dem brüderlichen Völkerfreundschaftsgedanken aller weißen Südafrikaner zusammen, aber eine regierende National Party gab es ja beispielsweise auch noch. Als die mit dem Ende der Apartheid in sich zusammen fiel – und übrigens pikanterweise irgendwann vom ANC geschluckt wurde – war es jedenfalls nicht die ebenfalls im Verfall begriffene AWB, die die Rassisten auffing. Doch das nur zur Faktenlage.

Viel schwerwiegender ist das vorsätzliche Aufbauschen der Spannungen auf südafrikanischen Farmen, wo viele Arbeiter noch immer in sklavenähnlichen Bedingungen leben und die Rückgabe von Land an Schwarze und Coloureds nur extrem langsam voran kommt, zu einer Gefahr für die Weltmeisterschaft in den Metropolen. Jeder Korrespondent sollte wissen, dass dieses Szenario konstruiert ist. Jeder Korrespondent sollte durchschauen können, dass die Warnung eines AWB-Sprechers, nicht in ein Land der Mörder zu reisen, nur den Rassismus des Mannes zur Schau stellt und keinesfalls eine Drohung sein soll – die AWB hat nämlich rein gar nichts gegen Europäer. Ein Korrespondent könnte auch recherchieren, dass nach Zahlen des Südafrikanischen Instituts für Rassenbeziehungen lediglich zwei Prozent der Attacken auf weiße Bauern seit 1994 einen rassistischen Hintergrund hatten. Man kann aber natürlich auch die von der AWB in den Raum geworfene Zahl der 3000 weißen Mordopfer ohne Quellenverweis übernehmen, das ganze hübsch dramatisieren, mit Macheten zerhackte WM-Touristen an die Wand malen und damit die Verkaufsquote steigern. Wer nicht glaubt, was für eine offen faschistische Organisation dort als Informationsquelle dient, sehe sich nur die animierte Heimseite des Haufens an.

Geld gegen Qualität, ein alter Konflikt. Zumindest von Leitmedien sollte man aber etwas mehr verlangen dürfen als Auflagen orientierte Panikmache. Im Übrigen habe ich auch nirgendwo in den deutschen Medien vernommen, dass die AWB ihren Aufruf zu Vergeltungstaten bereits am Ostermontag, also zwei Tage nach dem Mord und einen Tag nach dem eigentlichen Aufruf, öffentlich und vor laufenden Kameras der Nachrichten des staatlichen Fernsehens widerrufen haben und ihre Anhänger zur Besonnenheit aufgefordert haben.

Nun bekommt der ganze Fall wohl auch noch eine neue – medienwirksamere – Wendung, weil der große Rassistenführer Terre’Blanche nach Aussage seiner nun angeklagten Farmarbeiter ein sexuelles Interesse an dem jungen Mann und dem 15-jährigen Jungen hatte, dass er sich wohl auch versucht hat, zu befriedigen. Immerhin hat er den beiden nach Sunday Times Informationen aus den Gerichtsakten zusammen 28 Flaschen Cider gegönnt (das ist bei seiner Großzügigkeit fast ein Monatslohn) und seine Leiche war mit zu den Knien herunter gelassenen Hosen aufgefunden worden.

Wirklich herabsetzen können diese neuen Vorwürfe Eugene Terre’Blanche in meinen Augen aber nicht. Ein Rassist wie er war auch davor schon die unterste Schicht Bodensatz der menschlichen Gesellschaft. Insofern kann ich auch die Sunday Times Kolumnistin Pinky Khoabane gut verstehen, die sich gegen die Beileidsbekundung des Präsidenten Jacob Zuma ausspricht, der den verschiedenen Terre’Blanche als „einen Führer seines Formats“ würdigte und einen „traurigen Tag“ ausrief. Das „für einen Neo-Nazi wie Terre‘Blanche“ sei „nicht nur eine Beleidigung der Mehrheit der schwarzen Menschen in diesem Land, sondern es ist auch eine Schande.“ Man kann ja verurteilen, wenn ein Mensch mit einer Machete zerhackt wird, auch wenn diese Person selbst keinen Funken Menschlichkeit in sich trug, aber für Mitleid reicht es bei mir da nicht. Weil ich das Thema aber selzsam aufbereiten möchte, habe ich Eugene Terre’Blanche am Tag nach seinem Ableben dennoch mein letztes Langusten-Menü der Saison gewidmet. Mahlzeit.



PS: Ich schrieb zum Thema auch einen Artikel für die junge Welt.
PPS: Wer jetzt noch Zeit für einen Artikel zur Verstaatlichungsfrage in Südafrika hat: Darüber schrieb ich auch gerade, ebenfalls in der jungen Welt.

1 Kommentar:

jensen hat gesagt…

Krass, was du mittlerweile für Texte schreibst. You've come a long way, Doctore.