Montag, 27. Oktober 2008
Ein Tag in Walmer Township
Hinter all diesen Fenstern...
Der Wecker hat es wieder schwerer mit mir. Nachdem ich mir das ewige Snooze-Tasten-Gedrücke eigentlich schon abgewöhnt hatte, bin ich hier in Walmer rückfällig geworden. Das Zimmer ist einfach zu klein, um das lärmende Gerät ausreichend außer Reichweite zu platzieren. Und so vergeht dann meist einige Zeit bis ich mich unter der wärmenden Decke hervortraue um sogleich ins Bad zu sprinten, weil der Arbeitsbeginn naht. Die Wege sind glücklicher Weise kurz, die Distanz vom Bett zum Büro-Schreibtisch kann jeder anhand des nun folgenden Bilds selbst abschätzen.
...und dann in meinem Zimmer
Nach dem allmorgentlichen Team-Talk, bei dem wir die Aufgaben für den Tag absprechen, geht’s dann um kurz nach 9 an die Arbeit. Montags etwas später, weil wir da eine richtige Sitzung machen und die gesamte Woche planen. Heute waren dabei direkt frohe Botschaften zu verkünden. Zwei Unternehmen haben als Spender für unser Summer Camp zugesagt. Das entlastet unser Budget für den neuntägigen Ausflug mit den Kindern ein wenig, auch wenn da noch mehr kommen muss. Die 60 Kinder wollen schließlich nicht hungern, wenn sie einmal im Jahr in den Genuss eines Ferienausflugs kommen. Wer selbst mal in einer Ferienfreizeit war, dürfte ja noch wissen, wie groß die Vorfreude ist, und für Kinder, die von Urlaub sonst nicht einmal zu träumen wagen, ist so ein Ausflug natürlich das Highlight schlechthin. Von daher muss das klappen, damit es auch zukünftig Summer Camps geben kann.
Doch zurück zum Tag. Nach den Dankesmails musste noch ein Artikel für den Newsletter fertig werden, ein paar weitere Spenden-Anrufe warteten auf mich, dann noch einen Artikel für die Homepage planen - und ruckzuck ist so ein Vormittag auch schon rum. Nach der – heute etwas verspäteten – Mittagspause mache ich mich dann zu Fuß auf den Weg ins Xolelanani Youth Centre, dem Jugendzentrum, in dem ich ab 15 Uhr die Kinder beschäftige, die darauf warten, mit 1:1-Betreuung ihre Hausaufgaben zu machen. Fotos von den Straßen zu machen ist nicht immer ganz leicht, weil Kameras doch eine hohe Anziehungskraft auf die Kinder hier haben.
Ich bin den ganzen Weg gegangen
Die Gestaltung des Programms liegt für die zwei Stunden in meiner Hand, hängt aber auch stark vom Benehmen der Kinder ab. Sind sie brav, gibt’s am Tag darauf auch mal einen Spiele-Nachmittag, versuchen sie Chaos zu veranstalten, werden Arbeitsblätter ausgefüllt. Unser Lehrer Dr. Selzsam lässt im Ernstfall auch schon mal das Alphabet zu Papier bringen, Ordnung muss ja schließlich sein.
Xolelanani Youth Centre und Masifunde-Bus: No money left to burn
So soll es sein
Wenn ich die letzten Racker nach Hause entlassen habe und im Centre keine Aufgaben mehr für mich anliegen, gehe ich nach Hause, um dort bis zum Feierabend weiterzuarbeiten. Der Heimweg geht in den seltensten Fällen mit weniger als drei Smalltalks vonstatten, obwohl es eigentlich nur zehn Minuten Fußweg sind. Einer der potentiellen Gesprächspartner ist Zola, der selbst eine Tanzgruppe im Jugendzentrum betreut.
Zola und wieviel von seinen Freundinnen
Zola wohnt direkt gegenüber des Jugendzentrums in einem von der Regierung bereitgestellten Haus. Diese kleinen Steinhäuser sind inzwischen absolut prägend für das Stadtbild im Kern von Walmer. Es gibt jedoch verschieden große Häuser, je nachdem zu welcher Zeit sie errichtet wurden. Da diese Häuser jedoch den vorher auf dem gleichen Grund in Wellblechhütten lebenden Menschen nicht genügend Platz bieten, haben die Leute sie oft einfach erweitert – oder hüttisiert, wie die Menschen hier sagen. Hüttisieren geht folgendermaßen: Man nehme das von der Regierung errichtete Steinhaus und baue ein perfektes Mimikri von Wellblechhütte direkt an eine der Seitenwände an. Einer unserer Nachbarn hat diese Bauweise in nahezu vollkommener Perfektion vollbracht.
Haus ohne Balkon gegenüber
Neben den Steinhäusern und hüttisierten Steinhäusern gibt es im Kern von Walmer zwar auch noch Wellblechhütten, die Häuser sind aber ganz klar in der Mehrzahl. Je weiter man in die neueren, teilweise informellen Erweiterungen des Townships vordringt, desto schlechter wird allerdings auch der Lebensstil. Dort steht dann wirklich Hütte an Hütte, durch manche kann man tatsächlich durchgucken, so undicht sind die rostigen Wände. Dazu kommt, dass ein Teil der ohne Genehmigung errichteten Hütten auf einer ehemaligen Müllkippe stehen. Der Boden gibt dort immer wieder neuen Müll frei, zudem steit Methangas auf, was nicht unbedingt gesundheitsförderlich ist. Das Wohlstandsgefälle, das dem oberflächlichen Betrachter nur zwischen dem Township und den wohlhabenderen Stadtteilen auffällt, ist also auch innerhalb der Siedlung sehr groß.
Mit unserem – wenn auch sehr kleinen – Steinhäuschen leben wir da natürlich ganz klar am oberen Ende der Skala.
Die Stufen, die Haustür, kein Flur
Die Auffahrt zum Haus mit Auto (im fünften Gang 180)
Einen Warmwasserboiler hat sonst beispielsweise kaum jemand hier. Dieses Gerät weiß ich aber sehr zu schätzen, wenn ich nach getaner Arbeit und absolviertem Fußballtraining nach Hause komme. Morgen wird wieder so ein Tag sein. Der heutige klingt gleich noch mit Xhosa-Unterricht aus.
In diesem Sinne: Sala kakuhli!
Montag, 20. Oktober 2008
Molweni!
Der Einbürgerungstest kann bald kommen. Nachdem ich mich mittels Fußballverein bereits vorbildlich sozial integriert habe, habe ich nun Phase zwei meiner Verwurzelung im Walmer Township in Angriff genommen. Soeben bin ich von meiner ersten Doppelstunde Xhosa heimgekehrt. Der Weg bis zur Beherrschung dieser Sprache wird allerdings noch ein sehr langer sein. Neben drei verschiedenen Klick-Lauten verfügt Xhosa nämlich auch über einen vollkommen anderen Satzaufbau als alle anderen Sprachen, die ich jemals gelernt habe. Satzbau ist dabei sogar übertrieben, es handelt sich vielmehr um Wortbau, denn die gebeugten Verben äußern sich beispielsweise einfach als Silben in zusammengesetzten Wörtern. „Ich würde gern …“ heißt beispielsweise „Ndicela“ und selbst für den relativ langen Satz „Aus welchem Land kommst du?“ reichen in Xhosa zwei Worte: „Ungoweliphi ilizwe?“ Leicht klingt anders...
Dusselige Fragenbögen zum Abschrecken potentieller Einwanderer gibt es in Südafrika zwar nicht, doch ich will es natürlich trotzdem schaffen. Und da Wally, mein Lehrer und gleichzeitig Co-Trainer des Fußball-Teams, ein sehr geduldiger Mensch ist und ich irgendwann auch mal die Gespräche unter Nachbarn, Mannschaftskameraden oder Kindern verstehen will, bin ich zuversichtlich, dass ich schnell lernen werde. Denn das ist ja auch das Motto hier: Masifunde – Lasst uns lernen!
Meine private Schulstunde war zwar für mich sehr spannend, Bildmaterial gibt es davon allerdings nicht. Stattdessen erlaube ich mir, mit ein paar Bildern aus meinem neuen Haus-Park, dem Cape Recife Nature Reserve, etwas Neid zu schüren. Dort habe ich mit Ausnahme der Nächte nahezu das gesamte Wochenende verbracht, war Angeln, Muscheln sammeln, Sonnenbrand sammeln, Schnorcheln, Schwimmen, Wandern und … Fotografieren.
Für Schiffe
Für mich
Für Genießer
Für Nachtaktive
Sala Kakuhli – Tschüss!
Dusselige Fragenbögen zum Abschrecken potentieller Einwanderer gibt es in Südafrika zwar nicht, doch ich will es natürlich trotzdem schaffen. Und da Wally, mein Lehrer und gleichzeitig Co-Trainer des Fußball-Teams, ein sehr geduldiger Mensch ist und ich irgendwann auch mal die Gespräche unter Nachbarn, Mannschaftskameraden oder Kindern verstehen will, bin ich zuversichtlich, dass ich schnell lernen werde. Denn das ist ja auch das Motto hier: Masifunde – Lasst uns lernen!
Meine private Schulstunde war zwar für mich sehr spannend, Bildmaterial gibt es davon allerdings nicht. Stattdessen erlaube ich mir, mit ein paar Bildern aus meinem neuen Haus-Park, dem Cape Recife Nature Reserve, etwas Neid zu schüren. Dort habe ich mit Ausnahme der Nächte nahezu das gesamte Wochenende verbracht, war Angeln, Muscheln sammeln, Sonnenbrand sammeln, Schnorcheln, Schwimmen, Wandern und … Fotografieren.
Für Schiffe
Für mich
Für Genießer
Für Nachtaktive
Sala Kakuhli – Tschüss!
Freitag, 17. Oktober 2008
Das Townshiptierlexikon
Als Hommage an die Kuh, deren Futterquelle gestern abgefahren wurde, möchte ich heute mit einem Text über den Bauernhof Township fortfahren. Das Leben hier stellt einen nämlich vor einige Rätsel, die sich mit der herkömmlichen Township-Vorstellung eines Außenstehenden kaum vereinbaren lassen.
Nix für Üngüt, aber dieses Symbolbild musste noch kommen.
So war ich in den ersten Tagen hier sehr überrascht darüber, dass überall in den Straßen ohne jeden Hirten Kühe umherlaufen. Auch die Hühner, Ziegen und Esel haben sich jeglicher Zäune und Bewacher meist längst entledigt und zotteln, trotten und springen fröhlich umher. Nun ist Südafrika im Generellen und Walmer Township im Speziellen nicht gerade als Ort bekannt, an dem Besitztümer als höchstes Heiligtum gelten und niemals geklaut werden würden. Und in Anbetracht der Lage, in der sich manche Menschen hier finanziell befinden, gehört so ein umher laufendes Stück potentielles Essen durchaus zu den begehrenswerten Gütern. Warum klaut also keiner diese Tiere, hab ich mir gedacht – und Lubabalo den Koordinator hier gefragt. Die Antwort war zweiteilig.
Die Hühner sind relativ uninteressant. Die meisten Leute halten sie nur zum Spaß und wegen der niedlichen Küken, sie sind also eher Haus- als Nutztiere. Die Eier werden auch so gut wie nie verwendet. Wenn jemand ein Huhn schlachten will, wird es zunächst mindestens zwei Wochen in einem Käfig gehalten, weil es in der freien Townshipbahn hier einfach zu viel Müll und Dreck frisst, als das man es bedenkenlos verspeisen könnte. Was die zwei Wochen da helfen, ist mir zwar schleierhaft, aber ich kann mich an Zeiten erinnern, in denen ich auch Tümpel-Karpfen in der Badewanne gehalten hab, um den Moder-Geschmack herauszubekommen. Der Erfolg dieser Maßnahmen spielt sich vermutlich eher im Kopf des Verspeisenden ab und weniger im Muskelfleisch des Tieres.
Wie es sich mit Ziegen und Eseln verhält, weiß ich nicht genau. Ich vermute aber, dass dort ähnliche Mechanismen wie bei den Kühen greifen. Und die sind ziemlich krass: Die Rindvieh-Halter sind nämlich schlicht und ergreifend als die brutalsten Menschen im Township bekannt. Und aus diesem kühnen Grunde würde es niemand wagen, eine Kuh einfach mal zu mopsen und zu schlachten. Denn auch wenn der Halter selbst es nicht merkt, irgendwer bekommt im Township immer mit, was man gerade tut, zumal wenn es um so nicht gerade lautlose Geschichten wie einen Kuhdiebstahl geht. Und wenn dann nur einer singt, dann vermutlich Bolzenschussgerät ahoi. Nur halt nicht für die Kuh. Diese Kuh-Halter scheinen sogar soviel Respekt zu verstrahlen, dass die Leute sich nicht einmal darüber aufregen, wenn Kühe einfach den eigenen kleinen Vorgarten abgrasen. Wobei dort eh meist nichts wächst außer etwas Gras.
Gartenzwerge leben gefährlich.
Die Kühe greifen auch je nach Gusto immer mal wieder aktiv in den Straßenverkehr ein. Ich habe es auch noch nie erlebt, dass sich die Polizei mal daran gemacht hätte, eine Kuh, die einfach auf der Straße stehen bleibt, wegzuscheuchen. Doch von der Polizei hier sollte man sowieso nicht zuviel erwarten. Das wiederum ist allerdings nochmal eine andere Geschichte. Und jetzt von Kühen auf Bullen zu kommen ist selbst mir etwas zu platt…
Nix für Üngüt, aber dieses Symbolbild musste noch kommen.
So war ich in den ersten Tagen hier sehr überrascht darüber, dass überall in den Straßen ohne jeden Hirten Kühe umherlaufen. Auch die Hühner, Ziegen und Esel haben sich jeglicher Zäune und Bewacher meist längst entledigt und zotteln, trotten und springen fröhlich umher. Nun ist Südafrika im Generellen und Walmer Township im Speziellen nicht gerade als Ort bekannt, an dem Besitztümer als höchstes Heiligtum gelten und niemals geklaut werden würden. Und in Anbetracht der Lage, in der sich manche Menschen hier finanziell befinden, gehört so ein umher laufendes Stück potentielles Essen durchaus zu den begehrenswerten Gütern. Warum klaut also keiner diese Tiere, hab ich mir gedacht – und Lubabalo den Koordinator hier gefragt. Die Antwort war zweiteilig.
Die Hühner sind relativ uninteressant. Die meisten Leute halten sie nur zum Spaß und wegen der niedlichen Küken, sie sind also eher Haus- als Nutztiere. Die Eier werden auch so gut wie nie verwendet. Wenn jemand ein Huhn schlachten will, wird es zunächst mindestens zwei Wochen in einem Käfig gehalten, weil es in der freien Townshipbahn hier einfach zu viel Müll und Dreck frisst, als das man es bedenkenlos verspeisen könnte. Was die zwei Wochen da helfen, ist mir zwar schleierhaft, aber ich kann mich an Zeiten erinnern, in denen ich auch Tümpel-Karpfen in der Badewanne gehalten hab, um den Moder-Geschmack herauszubekommen. Der Erfolg dieser Maßnahmen spielt sich vermutlich eher im Kopf des Verspeisenden ab und weniger im Muskelfleisch des Tieres.
Wie es sich mit Ziegen und Eseln verhält, weiß ich nicht genau. Ich vermute aber, dass dort ähnliche Mechanismen wie bei den Kühen greifen. Und die sind ziemlich krass: Die Rindvieh-Halter sind nämlich schlicht und ergreifend als die brutalsten Menschen im Township bekannt. Und aus diesem kühnen Grunde würde es niemand wagen, eine Kuh einfach mal zu mopsen und zu schlachten. Denn auch wenn der Halter selbst es nicht merkt, irgendwer bekommt im Township immer mit, was man gerade tut, zumal wenn es um so nicht gerade lautlose Geschichten wie einen Kuhdiebstahl geht. Und wenn dann nur einer singt, dann vermutlich Bolzenschussgerät ahoi. Nur halt nicht für die Kuh. Diese Kuh-Halter scheinen sogar soviel Respekt zu verstrahlen, dass die Leute sich nicht einmal darüber aufregen, wenn Kühe einfach den eigenen kleinen Vorgarten abgrasen. Wobei dort eh meist nichts wächst außer etwas Gras.
Gartenzwerge leben gefährlich.
Die Kühe greifen auch je nach Gusto immer mal wieder aktiv in den Straßenverkehr ein. Ich habe es auch noch nie erlebt, dass sich die Polizei mal daran gemacht hätte, eine Kuh, die einfach auf der Straße stehen bleibt, wegzuscheuchen. Doch von der Polizei hier sollte man sowieso nicht zuviel erwarten. Das wiederum ist allerdings nochmal eine andere Geschichte. Und jetzt von Kühen auf Bullen zu kommen ist selbst mir etwas zu platt…
Montag, 13. Oktober 2008
Alles Müll, oder was?
Entscheidende Ereignisse trugen sich in der vergangenen Woche rund um unser kleines Anwesen in Walmer zu. Zunächst wurde mein Zimmer dann doch ziemlich plötzlich um eine Tür erweitert, die es mir nun ermöglicht, mich etwas vom Rest des Hauses abzukapseln, und die somit meine Schlafqualität wesentlich erhöht. Gedankt sei Lubabalo fürs Einbauen und dem Baum, der dafür sein Leben ließ.
Damit meine Seite nicht so nach Bleiwüste aussieht, habe ich mich entschlossen, auf sinnvolle Symbolbilder zurückzugreifen. Hier sieht man also eine Tür (offen), im Vordergrund ein Mensch.
Eben jene Tür stand nun aber am Sonnabend offen, sodass ich von der Haustür her seltsame Geräusche vernahm. Als wachsamer Hausbewohner hab ich mich also gleich mal die drei Meter dort hin geschlichen und war dann doch etwas erstaunt. Mein Gegenüber allerdings ebenso. Eine ausgewachsene Kuh guckte mich durch die offene Haustür verdutzt an. Freilaufende Kühe sind nun nichts Besonderes hier im Township, es gibt einige von ihnen, die diesen dicht bevölkerten Stadtteil schlicht zu ihrer Weide erklärt haben. Die Kühe kennen keine Straßenverkehrsregeln oder Grundstücksgrenzen, sie lassen sich auch nicht vom Gekrähe der ebenfalls frei umher laufenden Hühner oder vom Gebell der auch meist nicht allzu eingeschränkten Hunde beeindrucken. Mit Wegscheuchen ist da also nicht viel. Trotzdem, so nah waren mir die Kühe noch nie.
Kuh, zumindest teilweise. Im Hintergrund ein Tiger.
„Muh (f away)“ dachte ich mir also, doch das Rindvieh hatte besseres zu tun. Die Kuh weidete genüsslich an unserem Müllsack, der leider bei der letzten Abfuhr etwas zu spät zur Straße gekommen war. Irgendwann trabte sie dann aber durch ein (eigentlich viel zu kleines) Loch im Zaun doch weiter zum Nachbarn. Was mir blieb, war eine Frage: Wenn eine Kuh Müll frisst, gibt sie dann Müller-Milch?
Damit meine Seite nicht so nach Bleiwüste aussieht, habe ich mich entschlossen, auf sinnvolle Symbolbilder zurückzugreifen. Hier sieht man also eine Tür (offen), im Vordergrund ein Mensch.
Eben jene Tür stand nun aber am Sonnabend offen, sodass ich von der Haustür her seltsame Geräusche vernahm. Als wachsamer Hausbewohner hab ich mich also gleich mal die drei Meter dort hin geschlichen und war dann doch etwas erstaunt. Mein Gegenüber allerdings ebenso. Eine ausgewachsene Kuh guckte mich durch die offene Haustür verdutzt an. Freilaufende Kühe sind nun nichts Besonderes hier im Township, es gibt einige von ihnen, die diesen dicht bevölkerten Stadtteil schlicht zu ihrer Weide erklärt haben. Die Kühe kennen keine Straßenverkehrsregeln oder Grundstücksgrenzen, sie lassen sich auch nicht vom Gekrähe der ebenfalls frei umher laufenden Hühner oder vom Gebell der auch meist nicht allzu eingeschränkten Hunde beeindrucken. Mit Wegscheuchen ist da also nicht viel. Trotzdem, so nah waren mir die Kühe noch nie.
Kuh, zumindest teilweise. Im Hintergrund ein Tiger.
„Muh (f away)“ dachte ich mir also, doch das Rindvieh hatte besseres zu tun. Die Kuh weidete genüsslich an unserem Müllsack, der leider bei der letzten Abfuhr etwas zu spät zur Straße gekommen war. Irgendwann trabte sie dann aber durch ein (eigentlich viel zu kleines) Loch im Zaun doch weiter zum Nachbarn. Was mir blieb, war eine Frage: Wenn eine Kuh Müll frisst, gibt sie dann Müller-Milch?
Freitag, 10. Oktober 2008
Was ich hier mache - der Legende letzter Teil
Etwas verspätet will ich nun über meine Aufgaben bei Masifunde fabulieren und die Trilogie damit vervollständigen. Wer von mir zu meiner Arbeit hier noch gar nichts gehört hat, fragt sich wahrscheinlich, was Journalismus mit Bildungsförderung zu tun hat. Gut, Lesen bildet mitunter, aber da hat sich der Link nicht versteckt. Die Antwort ist einfacher: Ich mache die Pressearbeit für Masifunde in Südafrika. Und da die sich nicht immer an 9-to-5-Arbeitszeiten halten kann, gibt’s diesen Text auch erst heute. Weil Masifunde nämlich den Dönhoff-Förderpreis gewonnen hat*, brauchten wir schnell professionelles Filmmaterial aus Südafrika. Weil ich aber weder acht Arme noch eine DV-Kamera habe, musste ich fix innerhalb eines Tages für den darauf folgenden einen Kamera-Mann nebst Equipment organisieren. Das hat zum Glück geklappt und dann haben wir Dienstag zu zweit von 10 bis 19 Uhr in einem Guss gedreht, ehe es zum Schlemmer-Teil des Tages überging. Die Aufnahmen, die uns in die Schulen der Kinder, in die Hausaufgabenbetreuung, zu den Eltern und in die Lifeskill-Stunde führten, haben richtig Laune gemacht und sind darüber hinaus auch äußerst geeignet, in die Beschreibung meines Aufgabenbereich praktisch einzusteigen.
Ganz so spannend wie beim Filmdreh ist es allerdings nicht immer, dafür aber auch meist nicht so stressig. Die einzige Konstante in meiner Arbeit ist die, das ich immer wieder etwas anderes mache. In den ersten Wochen habe ich mich in die Bearbeitung der Homepage eingearbeitet und massenhaft Informationsseiten über Masifunde gelesen, um auch wirklich im Thema zu sein, über das ich dann berichten kann. In der Zukunft werde ich versuchen, Redaktionen vor allem in Südafrika anzusprechen und sie auf unsere Aktionen aufmerksam zu machen, um die Bekanntheit unserer Organisation hier vor Ort zu steigern. Außerdem werde ich mich um unsere englische Homepage kümmern und Journalisten betreuen, die hier her kommen wollen um zu berichten. All die schönen Aufgaben der Außendarstellung liegen allerdings momentan noch etwas in der Ferne, da im Dezember unser alljährliches Summer Camp ansteht. Und damit die Kinder dabei nicht verhungern, treiben wir momentan mit Hausbesuchen in Supermärkten die nötigen Sachspenden auf. Das ist nicht immer leicht und mit Sicherheit auch nicht meine Lieblingsbeschäftigung, aber es ist wichtig, denn das Spendengeld aus Deutschland brauchen wir für wichtigere Dinge, das soll Bildung ermöglichen.
Zusätzlich zu diesen Aufgaben arbeite ich aber auch ganz konkret mit den Kids, wenn auch nicht so häufig. Da geht es vor allem um Hausaufgabenhilfe, also ganz konkret das Einmaleins durchgehen oder die Uhrzeiten digital und mit Zeigern erklären. Einmal haben wir in einer Learn4Life-Stunde aber auch unseren Ausflug aufgearbeitet und mit den Kids über wichtige Werte wie Solidarität und Zusammenhalt gesprochen. Als praktische Übung dazu haben wir die Kinder dann Artikel über den Ausflug schreiben lassen – tja, irgendwo muss sich der Kreis ja auch schließen…
Geschlossen ist hiermit dann auch meine Arbeitsbeschreibung. Ich hoffe, es war aufschlussreich und interessant. Fragen sind mehr als willkommen…
* Der nach der einstigen Zeit-Chefredakteurin und -Herausgeberin benannte "Marion Dönhoff Förderpreis für internationale Verständigung und Versöhnung" wird von der Marion Dönhoff Stiftung (wer hätte es gedacht), der ZEIT und der ZEIT Stiftung herausgegeben. Aufgrund der vorsichtig gesagt nicht ganz unbedeutenden Erscheinung diese Stiftung, macht es momentan auch Spaß, Masifunde zu googlen...
Ganz so spannend wie beim Filmdreh ist es allerdings nicht immer, dafür aber auch meist nicht so stressig. Die einzige Konstante in meiner Arbeit ist die, das ich immer wieder etwas anderes mache. In den ersten Wochen habe ich mich in die Bearbeitung der Homepage eingearbeitet und massenhaft Informationsseiten über Masifunde gelesen, um auch wirklich im Thema zu sein, über das ich dann berichten kann. In der Zukunft werde ich versuchen, Redaktionen vor allem in Südafrika anzusprechen und sie auf unsere Aktionen aufmerksam zu machen, um die Bekanntheit unserer Organisation hier vor Ort zu steigern. Außerdem werde ich mich um unsere englische Homepage kümmern und Journalisten betreuen, die hier her kommen wollen um zu berichten. All die schönen Aufgaben der Außendarstellung liegen allerdings momentan noch etwas in der Ferne, da im Dezember unser alljährliches Summer Camp ansteht. Und damit die Kinder dabei nicht verhungern, treiben wir momentan mit Hausbesuchen in Supermärkten die nötigen Sachspenden auf. Das ist nicht immer leicht und mit Sicherheit auch nicht meine Lieblingsbeschäftigung, aber es ist wichtig, denn das Spendengeld aus Deutschland brauchen wir für wichtigere Dinge, das soll Bildung ermöglichen.
Zusätzlich zu diesen Aufgaben arbeite ich aber auch ganz konkret mit den Kids, wenn auch nicht so häufig. Da geht es vor allem um Hausaufgabenhilfe, also ganz konkret das Einmaleins durchgehen oder die Uhrzeiten digital und mit Zeigern erklären. Einmal haben wir in einer Learn4Life-Stunde aber auch unseren Ausflug aufgearbeitet und mit den Kids über wichtige Werte wie Solidarität und Zusammenhalt gesprochen. Als praktische Übung dazu haben wir die Kinder dann Artikel über den Ausflug schreiben lassen – tja, irgendwo muss sich der Kreis ja auch schließen…
Geschlossen ist hiermit dann auch meine Arbeitsbeschreibung. Ich hoffe, es war aufschlussreich und interessant. Fragen sind mehr als willkommen…
* Der nach der einstigen Zeit-Chefredakteurin und -Herausgeberin benannte "Marion Dönhoff Förderpreis für internationale Verständigung und Versöhnung" wird von der Marion Dönhoff Stiftung (wer hätte es gedacht), der ZEIT und der ZEIT Stiftung herausgegeben. Aufgrund der vorsichtig gesagt nicht ganz unbedeutenden Erscheinung diese Stiftung, macht es momentan auch Spaß, Masifunde zu googlen...
Sonntag, 5. Oktober 2008
Zeit für... Anekdoten
Teil drei der Fortsetzungsgeschichte muss vorerst warten und zwar aus zwei Gründen:
1. Masifunde wird recht bald einen ziemlich, ziemlich, ziemlich bedeutenden Preis gewinnen und für die Preisverleihung brauchen wir einen Film. Ich habe daher die Ehre, für ganz wenig Geld ganz gute Produktionsfirmen, Kameras, Drehtermine und ähnliches aufzutreiben. Die Sache hat nur zwei Haken: Das ganze muss bis Donnerstag fertig sein und ich bin in Südafrika, einem Land, in dem sich die Formulierung "nownow" breitgemacht hat, weil "now" nur noch soviel heißt wie "vielleicht morgen". Europäische Hektik trifft also auf afrikanische Gelassenheit und ich bin ab morgen mittendrin, da will ich vorher wenigstens Kontakte raussuchen und dann gleich mal schlafen...
2. Es gibt einfach zuviele Anekdoten zu erzählen, die das Wochenende so produziert hat.
Die erste trug sich am Eingang des Cape Recife Nature Reserves zu. Das ist ein kleines Naturreservat vor den Toren Port Elizabeths, in dem der Indische Ozean auf schroffe Steinformationen und Sandstrände trifft und in dem sich dahinter eine weite Buschlandschaft erstreckt, in der allerhand gefiederte Freunde (Yeehaaa, die wollte ich immer noch mal unterbringen...) ihr Unwesen treiben. Das Reservat ist so klein und unbekannt, dass ich ohne Blogger Fish aus dem fernen Bremen vermutlich gar nicht von seiner Existenz gewusst hätte. Nun hab ichs am Samstag aber mal gesucht und auch prompt gefunden, dann allerdings anhand des Schlagbaums am Eingang auch schnell den Braten gerochen, dass die Weiterfahrt wohl Eintritt kostet. Und nach Zahlen war mir eigentlich nicht so... In der Folge entwickelte sich also ein zumindest von einer Seite tendenziell hinterlistiger Dialog zwischen mir und dem Parkwächter:
Ich: "Darf ich bitte durchfahren?"
Er: "Das kostet 29 Rand."
Ich: "Oh, das hier ist also ein richtiger Naturpark?"
Er: "JAA!"
Ich: "Dann akzeptieren Sie doch bestimmt auch die 'Wild Card*'"
*Die Wild Card ist eine relativ teuere Karte, mit der man in allen staatlichen Parks und Naturreservaten Südafrikas freien Eintritt bekommt.
Er: "Ja."
Ich: "Oh, dann komme ich ein anderes Mal wieder."
Daraufhin er: "Haben Sie eine Wild Card?"
Das war die Stelle, an der es bei mir klick gemacht hat...
Also ich: "Ja, aber die habe ich zu Hause vergessen."
Daraufhin ging der Mann zur Schranke und öffnete sie. Yeboooo!
Anekdote Nummer zwei ist etwas ekelig, aber ich nahm das erst nicht so wahr:
Ich laufe also völlig kostenfrei den wirklich schönen Strand in diesem Reservat entlang und da liegt da am Strand ein toter Wal. Och Mensch, Schade um das Tier denke ich mir so, während just in diesem Moment mein Telefon klingelt. Auf die Allerweltsfrage "Und was machst du so?" hab ich dann halt ehrlich und ohne groß zu überlegen geantwortet: "Ich bin am Strand und stehe vor einem toten Wal." Das fand die Anruferin irgendwie komisch. Ich nicht. Stimmte ja.
Anekdote Nummer drei führt mich zurück zum Eingang des Reservats. Da kam der Wärter aus seinem Häuschen gestürmt und stammelte umhüllt von circa zehn Höflichkeitsfloskeln ungefähr eine halbe Minute lang was von einem Gefallen, den er mir getan habe und ob ich ihm nicht auch einen tun könnte. Ich war kurz davor ihn aufzufordern, doch einfach mal zu sagen, was er denn wirklich will, da fasste er sich ein Herz: "Kannst du mich mit nach Summerstrand nehmen?" Die Entscheidung war schnell gefällt, denn durch den Stadtteil musste ich sowieso. Der Mann war allerdings noch die ganze Fahrt über völlig aufgelöst und voller Dank, dass ich ihn mitgenommen hatte. Es stellte sich nämlich raus, dass der arme Typ sonst jeden Tag nach der Arbeit (18.30 Uhr) ungefähr eine Stunde zum Büro des Naturreservats latschen muss, um dort sein Funkgerät abzugeben, ehe er dann mit dem Sammeltaxi in sein Township am nördlichen Stadtrand aufbrechen kann. Die Geschichte fand ich echt krass. Den holt halt keiner von den Bürotypen mal eben ab. Dem stellt sein Arbeitgeber nicht mal ein Fahrrad, er muss einfach laufen, denn ein tägliches Taxi würde wahrscheinlich den halben Monatslohn auffressen. Ich glaub ich fahr da demnächst mal öfter vorbei und hau dann erst um 18.30 Uhr ab. Ich hab nämlich jetzt auch lebenslang freien Eintritt, solange er da der Wächter ist, hat der Mann mir versprochen...
Die vierte und letzte Anekdote trug sich heute bei meinem ersten Einsatz für die Young Chiefs zu. Jaaaa, ich habe mein erstes Spiel bestritten, über 90 Minuten, eine Halbzeit auf Rechtsaußen und eine im Sturm und dabei unser Führungstor (Endstand leider 1:2) mit eingeleitet und kurz vor Schluss noch einen Lattenschuss vorbereitet. Ansonsten liefs eher durchwachsen, aber das soll jetzt auch gar nicht Thema sein. Mehr als meine Spielkünste war nämlich für einen der Zuschauer, der - wie ich erst nach dem Spiel bemerkt habe - wohl geistig behindert war, mein Äußeres die Hauptattraktion. Der Typ hat nahezu ohne Unterbrechung 90 Minuten lang "Mulungo" (was soviel heißt wie "weißer Fremdling") gerufen, sobald ich auch nur ansatzweise an ihm vorbeikam. Das Wort ist nun nicht wirklich rassistisch, aber es gibt durchaus nettere Weisen, jemanden auf sich aufmerksam zu machen. Ich bin nun etwas ratlos, ob ich entweder SAFA (South African Football Association) einschalten sollte, oder mich lieber darüber freue, dass mich beim Fußball spielen überhaupt mal jemand wahrnimmt...
Vielleicht könnt ihr mir bei dieser Frage ja helfen. *um mehr Kommentare bettel*
1. Masifunde wird recht bald einen ziemlich, ziemlich, ziemlich bedeutenden Preis gewinnen und für die Preisverleihung brauchen wir einen Film. Ich habe daher die Ehre, für ganz wenig Geld ganz gute Produktionsfirmen, Kameras, Drehtermine und ähnliches aufzutreiben. Die Sache hat nur zwei Haken: Das ganze muss bis Donnerstag fertig sein und ich bin in Südafrika, einem Land, in dem sich die Formulierung "nownow" breitgemacht hat, weil "now" nur noch soviel heißt wie "vielleicht morgen". Europäische Hektik trifft also auf afrikanische Gelassenheit und ich bin ab morgen mittendrin, da will ich vorher wenigstens Kontakte raussuchen und dann gleich mal schlafen...
2. Es gibt einfach zuviele Anekdoten zu erzählen, die das Wochenende so produziert hat.
Die erste trug sich am Eingang des Cape Recife Nature Reserves zu. Das ist ein kleines Naturreservat vor den Toren Port Elizabeths, in dem der Indische Ozean auf schroffe Steinformationen und Sandstrände trifft und in dem sich dahinter eine weite Buschlandschaft erstreckt, in der allerhand gefiederte Freunde (Yeehaaa, die wollte ich immer noch mal unterbringen...) ihr Unwesen treiben. Das Reservat ist so klein und unbekannt, dass ich ohne Blogger Fish aus dem fernen Bremen vermutlich gar nicht von seiner Existenz gewusst hätte. Nun hab ichs am Samstag aber mal gesucht und auch prompt gefunden, dann allerdings anhand des Schlagbaums am Eingang auch schnell den Braten gerochen, dass die Weiterfahrt wohl Eintritt kostet. Und nach Zahlen war mir eigentlich nicht so... In der Folge entwickelte sich also ein zumindest von einer Seite tendenziell hinterlistiger Dialog zwischen mir und dem Parkwächter:
Ich: "Darf ich bitte durchfahren?"
Er: "Das kostet 29 Rand."
Ich: "Oh, das hier ist also ein richtiger Naturpark?"
Er: "JAA!"
Ich: "Dann akzeptieren Sie doch bestimmt auch die 'Wild Card*'"
*Die Wild Card ist eine relativ teuere Karte, mit der man in allen staatlichen Parks und Naturreservaten Südafrikas freien Eintritt bekommt.
Er: "Ja."
Ich: "Oh, dann komme ich ein anderes Mal wieder."
Daraufhin er: "Haben Sie eine Wild Card?"
Das war die Stelle, an der es bei mir klick gemacht hat...
Also ich: "Ja, aber die habe ich zu Hause vergessen."
Daraufhin ging der Mann zur Schranke und öffnete sie. Yeboooo!
Anekdote Nummer zwei ist etwas ekelig, aber ich nahm das erst nicht so wahr:
Ich laufe also völlig kostenfrei den wirklich schönen Strand in diesem Reservat entlang und da liegt da am Strand ein toter Wal. Och Mensch, Schade um das Tier denke ich mir so, während just in diesem Moment mein Telefon klingelt. Auf die Allerweltsfrage "Und was machst du so?" hab ich dann halt ehrlich und ohne groß zu überlegen geantwortet: "Ich bin am Strand und stehe vor einem toten Wal." Das fand die Anruferin irgendwie komisch. Ich nicht. Stimmte ja.
Anekdote Nummer drei führt mich zurück zum Eingang des Reservats. Da kam der Wärter aus seinem Häuschen gestürmt und stammelte umhüllt von circa zehn Höflichkeitsfloskeln ungefähr eine halbe Minute lang was von einem Gefallen, den er mir getan habe und ob ich ihm nicht auch einen tun könnte. Ich war kurz davor ihn aufzufordern, doch einfach mal zu sagen, was er denn wirklich will, da fasste er sich ein Herz: "Kannst du mich mit nach Summerstrand nehmen?" Die Entscheidung war schnell gefällt, denn durch den Stadtteil musste ich sowieso. Der Mann war allerdings noch die ganze Fahrt über völlig aufgelöst und voller Dank, dass ich ihn mitgenommen hatte. Es stellte sich nämlich raus, dass der arme Typ sonst jeden Tag nach der Arbeit (18.30 Uhr) ungefähr eine Stunde zum Büro des Naturreservats latschen muss, um dort sein Funkgerät abzugeben, ehe er dann mit dem Sammeltaxi in sein Township am nördlichen Stadtrand aufbrechen kann. Die Geschichte fand ich echt krass. Den holt halt keiner von den Bürotypen mal eben ab. Dem stellt sein Arbeitgeber nicht mal ein Fahrrad, er muss einfach laufen, denn ein tägliches Taxi würde wahrscheinlich den halben Monatslohn auffressen. Ich glaub ich fahr da demnächst mal öfter vorbei und hau dann erst um 18.30 Uhr ab. Ich hab nämlich jetzt auch lebenslang freien Eintritt, solange er da der Wächter ist, hat der Mann mir versprochen...
Die vierte und letzte Anekdote trug sich heute bei meinem ersten Einsatz für die Young Chiefs zu. Jaaaa, ich habe mein erstes Spiel bestritten, über 90 Minuten, eine Halbzeit auf Rechtsaußen und eine im Sturm und dabei unser Führungstor (Endstand leider 1:2) mit eingeleitet und kurz vor Schluss noch einen Lattenschuss vorbereitet. Ansonsten liefs eher durchwachsen, aber das soll jetzt auch gar nicht Thema sein. Mehr als meine Spielkünste war nämlich für einen der Zuschauer, der - wie ich erst nach dem Spiel bemerkt habe - wohl geistig behindert war, mein Äußeres die Hauptattraktion. Der Typ hat nahezu ohne Unterbrechung 90 Minuten lang "Mulungo" (was soviel heißt wie "weißer Fremdling") gerufen, sobald ich auch nur ansatzweise an ihm vorbeikam. Das Wort ist nun nicht wirklich rassistisch, aber es gibt durchaus nettere Weisen, jemanden auf sich aufmerksam zu machen. Ich bin nun etwas ratlos, ob ich entweder SAFA (South African Football Association) einschalten sollte, oder mich lieber darüber freue, dass mich beim Fußball spielen überhaupt mal jemand wahrnimmt...
Vielleicht könnt ihr mir bei dieser Frage ja helfen. *um mehr Kommentare bettel*
Freitag, 3. Oktober 2008
Was ich hier mache - Teil 2 von 3
"Education is the most powerful weapon which you can use to change the world." ("Bildung ist die stärkste Waffe, zu der man greifen kann, um die Welt zu verändern.")
Dieses Zitat Nelson Mandelas ziert nicht nur die englische Informationsbroschüre über Masifunde, seine Aussage ist auch ein Stück weit mein Antrieb, hier zu arbeiten. In der nun folgenden Fortsetzung des Eintrags vom Donnerstag werde ich beschreiben, wie diese Waffenlieferung funktioniert.
Der Ansatz liegt nach der Vorgeschichte auf der Hand: Um dem beschriebenen Teufelskreis aus mangelnder Bildung und Armut zu entrinnen, muss ein nachhaltiges Förderungskonzept bei den Kindern ansetzen und ihnen die gleiche Bildung ermöglichen, die gleichaltrige Kinder reicherer Familien auch bekommen. Weil das soziale Umfeld sich aber nicht per Fingerschnippen in die Idylle eines von Vogelgezwitscher geprägten Luxusvororts verwandeln lässt, brauchen die Kinder zusätzliche Unterstützung, die ihnen die Kraft gibt, ihre Aufgaben auch unter erschwerten Bedingungen zu absolvieren.
Da es allerdings weder realistisches Ziel noch Aufgabe eines ehrenamtlichen Vereins sein kann, diesen Segen flächendeckend zu verteilen, muss zudem ein Weg gefunden werden, den gesamten Stadtteil von der Förderung einiger Weniger profitieren zu lassen. Denn zum einen ist Masifunde kein Elitenförderungsprogramm und zum anderen wäre die Gefahr von Neid und Missgunst sonst viel zu hoch.
Masifundes Arbeit im Walmer Township besteht daher aus drei Säulen.
Die erste ist die naheliegendste und zugleich teuerste: Die geförderten Kinder werden auf exzellente Schulen in den reicheren Stadtteilen Port Elizabeths geschickt. Wer dort hin darf, welches Kind also ausgewählt wird, entscheidet sich in einem dreistufigen Test. Zunächst schlagen die Lehrerinnen einer mit Masifunde kooperierenden Vorschule geeignete Kandidaten vor, die sich durch Cleverness auszeichnen und gleichzeitig finanziell bedürftig sind. Daraufhin untersucht der festangestellte Masifunde-Koordinator in Walmer das familiäre Umfeld der Kinder. Wichtig ist dabei, dass zumindest ein verlässlicher Ansprechpartner existiert. Schließlich müssen die Kids sich dann noch in einem Auswahlgespräch an der ihnen zugedachten Schule beweisen - werden sie dort angenommen, sind sie dabei. Masifunde ist also in die formelle Schulbildung nur administrativ involviert. Die Masifunde-Freiwilligen helfen - was die direkte Schulbildung betrifft - lediglich bei den Hausaufgaben. Dazu gibt es einen Homework Club, der von einer südafrikanischen Lehrerin geleitet wird und in dem auch internationale Studenten der hiesigen Nelson Mandela Metropolitan University mithelfen.
Lernen, Lernen und nochmals Lernen!
Wenn die letzten Kinder dann um 17 Uhr mit ihren Hausaufgaben fertig sind, schließt sich Säule Nummer zwei an, die den formschönen Namen Learn4Life! trägt. Das Programm, das in Bremen sicherlich Lifeskills4u heißen würde, trägt den Nachhaltigkeitsansatz Masifundes in sich. Es hat daher die Schlüsselfunktion unseres Einsatzes inne, den es schafft die Verknüpfung zwischen den mit den Stipendien versorgten Kindern und gleichaltrigen Schülern aus Township-Schulen. Die insgesamt knapp 60 Learn4Life!-Kinder treffen sich auf die fünf Wochentage verteilt und nach Alter in Kleingruppen aufgeteilt einmal wöchentlich für anderthalb Stunden im Jugendzentrum. Zusätzlich gibt es monatliche Ausflüge und als Anreiz für die regelmäßige Teilnahme ein einwöchiges Summer Camp, das dieses Jahr vom 8. bis 16. Dezember stattfindet - so wir denn die nötigen Spenden auftreiben können, aber das ist eine andere Geschichte.
In all diesen Programm-Teilen geht es dann in einem in Kooperation mit der Uni entworfenen interaktiven Unterricht um insbesondere im Township wichtige Themen wie beispielsweise friedliche Konfliktlösungsstrategien, gesunde Ernährung, Drogenprävention und Aids-Aufklärung. Daneben wird den Kindern ihre Verantwortungsrolle in ihrem Umfeld eingeimpft, um sie so zu Multiplikatoren und Botschaftern in Sachen Aufklärung und Bildung zu machen.
Das klingt so niedergeschrieben natürlich alles etwas theoretisch und verkopft und ich hatte da anfangs auch so meine Zweifel, ob Grundschüler dann wirklich rausrennen ins Leben und laut "Bildung alaaf" schreien. Diese Unsicherheit hat sich allerdings in Gänsehaut aufgelöst, als ich beim letzten Elternabend der Geschichte einer Mutter eines Drittklässlers lauschte, die stolz berichtet hat, das ihr Sohn seiner zwei Jahre älteren Schwester nun beigebracht habe, was fünf Jahre Townshipschule nicht vermocht hatten: Lesen und Schreiben. Sicher, das funktioniert bei einigen besser und bei anderen schlechter, aber es fällt schon auf, das manche Kinder für ihr Alter auch innerhalb der Gruppe eine ungeheuere Verantwortung übernehmen und einfach eine Reife zeigen, die mich manchmal schlicht erstaunen lässt.
Bulelani sagt "Ja" zu südafrikanischem Wasser.
Doch weg von der Schwärmerei, Masifunde hat nämlich noch eine dritte Säule, die allerdings schneller erzählt ist und unseren Verein fest im Township verankert. Um den Ansatz der Arbeit hier umfassend zu machen, unterstützt Masifunde nämlich auch ein Kinderheim, das eine Frau aus Walmer Township aus Eigenengagement gegründet hat, und das Jugendzentrum, das einst übrigens von der IG Metal gebaut wurde und heute neben unseren Programmen eine Töpferwerkstatt, eine Tanzgruppe und einen Kindergarten für bedürftige Kinder beherbergt, den Masifunde ebenfalls fördert.
Welche Früchte all diese Bemühungen einmal tragen, lässt sich heute natürlich noch nicht mit Gewissheit sagen. Hoffnungsschimmer gibt es, wie beschrieben, bereits einige, doch ob die Kinder es schaffen werden, ihre Schullaufbahn erfolgreich abzuschließen und ob sie sich dann auch noch ihrer Verantwortung für ihr Umfeld verpflichtet fühlen, kann natürlich heute noch niemand mit Gewissheit sagen.
Ich bin da mal optimistisch gespannt und hoffe ich geht's in Erwartung von Teil 3 der Masifunde-Geschichte ähnlich. Voraussichtlich Sonntag geht's dann um meine Rolle im System...
Dieses Zitat Nelson Mandelas ziert nicht nur die englische Informationsbroschüre über Masifunde, seine Aussage ist auch ein Stück weit mein Antrieb, hier zu arbeiten. In der nun folgenden Fortsetzung des Eintrags vom Donnerstag werde ich beschreiben, wie diese Waffenlieferung funktioniert.
Der Ansatz liegt nach der Vorgeschichte auf der Hand: Um dem beschriebenen Teufelskreis aus mangelnder Bildung und Armut zu entrinnen, muss ein nachhaltiges Förderungskonzept bei den Kindern ansetzen und ihnen die gleiche Bildung ermöglichen, die gleichaltrige Kinder reicherer Familien auch bekommen. Weil das soziale Umfeld sich aber nicht per Fingerschnippen in die Idylle eines von Vogelgezwitscher geprägten Luxusvororts verwandeln lässt, brauchen die Kinder zusätzliche Unterstützung, die ihnen die Kraft gibt, ihre Aufgaben auch unter erschwerten Bedingungen zu absolvieren.
Da es allerdings weder realistisches Ziel noch Aufgabe eines ehrenamtlichen Vereins sein kann, diesen Segen flächendeckend zu verteilen, muss zudem ein Weg gefunden werden, den gesamten Stadtteil von der Förderung einiger Weniger profitieren zu lassen. Denn zum einen ist Masifunde kein Elitenförderungsprogramm und zum anderen wäre die Gefahr von Neid und Missgunst sonst viel zu hoch.
Masifundes Arbeit im Walmer Township besteht daher aus drei Säulen.
Die erste ist die naheliegendste und zugleich teuerste: Die geförderten Kinder werden auf exzellente Schulen in den reicheren Stadtteilen Port Elizabeths geschickt. Wer dort hin darf, welches Kind also ausgewählt wird, entscheidet sich in einem dreistufigen Test. Zunächst schlagen die Lehrerinnen einer mit Masifunde kooperierenden Vorschule geeignete Kandidaten vor, die sich durch Cleverness auszeichnen und gleichzeitig finanziell bedürftig sind. Daraufhin untersucht der festangestellte Masifunde-Koordinator in Walmer das familiäre Umfeld der Kinder. Wichtig ist dabei, dass zumindest ein verlässlicher Ansprechpartner existiert. Schließlich müssen die Kids sich dann noch in einem Auswahlgespräch an der ihnen zugedachten Schule beweisen - werden sie dort angenommen, sind sie dabei. Masifunde ist also in die formelle Schulbildung nur administrativ involviert. Die Masifunde-Freiwilligen helfen - was die direkte Schulbildung betrifft - lediglich bei den Hausaufgaben. Dazu gibt es einen Homework Club, der von einer südafrikanischen Lehrerin geleitet wird und in dem auch internationale Studenten der hiesigen Nelson Mandela Metropolitan University mithelfen.
Lernen, Lernen und nochmals Lernen!
Wenn die letzten Kinder dann um 17 Uhr mit ihren Hausaufgaben fertig sind, schließt sich Säule Nummer zwei an, die den formschönen Namen Learn4Life! trägt. Das Programm, das in Bremen sicherlich Lifeskills4u heißen würde, trägt den Nachhaltigkeitsansatz Masifundes in sich. Es hat daher die Schlüsselfunktion unseres Einsatzes inne, den es schafft die Verknüpfung zwischen den mit den Stipendien versorgten Kindern und gleichaltrigen Schülern aus Township-Schulen. Die insgesamt knapp 60 Learn4Life!-Kinder treffen sich auf die fünf Wochentage verteilt und nach Alter in Kleingruppen aufgeteilt einmal wöchentlich für anderthalb Stunden im Jugendzentrum. Zusätzlich gibt es monatliche Ausflüge und als Anreiz für die regelmäßige Teilnahme ein einwöchiges Summer Camp, das dieses Jahr vom 8. bis 16. Dezember stattfindet - so wir denn die nötigen Spenden auftreiben können, aber das ist eine andere Geschichte.
In all diesen Programm-Teilen geht es dann in einem in Kooperation mit der Uni entworfenen interaktiven Unterricht um insbesondere im Township wichtige Themen wie beispielsweise friedliche Konfliktlösungsstrategien, gesunde Ernährung, Drogenprävention und Aids-Aufklärung. Daneben wird den Kindern ihre Verantwortungsrolle in ihrem Umfeld eingeimpft, um sie so zu Multiplikatoren und Botschaftern in Sachen Aufklärung und Bildung zu machen.
Das klingt so niedergeschrieben natürlich alles etwas theoretisch und verkopft und ich hatte da anfangs auch so meine Zweifel, ob Grundschüler dann wirklich rausrennen ins Leben und laut "Bildung alaaf" schreien. Diese Unsicherheit hat sich allerdings in Gänsehaut aufgelöst, als ich beim letzten Elternabend der Geschichte einer Mutter eines Drittklässlers lauschte, die stolz berichtet hat, das ihr Sohn seiner zwei Jahre älteren Schwester nun beigebracht habe, was fünf Jahre Townshipschule nicht vermocht hatten: Lesen und Schreiben. Sicher, das funktioniert bei einigen besser und bei anderen schlechter, aber es fällt schon auf, das manche Kinder für ihr Alter auch innerhalb der Gruppe eine ungeheuere Verantwortung übernehmen und einfach eine Reife zeigen, die mich manchmal schlicht erstaunen lässt.
Bulelani sagt "Ja" zu südafrikanischem Wasser.
Doch weg von der Schwärmerei, Masifunde hat nämlich noch eine dritte Säule, die allerdings schneller erzählt ist und unseren Verein fest im Township verankert. Um den Ansatz der Arbeit hier umfassend zu machen, unterstützt Masifunde nämlich auch ein Kinderheim, das eine Frau aus Walmer Township aus Eigenengagement gegründet hat, und das Jugendzentrum, das einst übrigens von der IG Metal gebaut wurde und heute neben unseren Programmen eine Töpferwerkstatt, eine Tanzgruppe und einen Kindergarten für bedürftige Kinder beherbergt, den Masifunde ebenfalls fördert.
Welche Früchte all diese Bemühungen einmal tragen, lässt sich heute natürlich noch nicht mit Gewissheit sagen. Hoffnungsschimmer gibt es, wie beschrieben, bereits einige, doch ob die Kinder es schaffen werden, ihre Schullaufbahn erfolgreich abzuschließen und ob sie sich dann auch noch ihrer Verantwortung für ihr Umfeld verpflichtet fühlen, kann natürlich heute noch niemand mit Gewissheit sagen.
Ich bin da mal optimistisch gespannt und hoffe ich geht's in Erwartung von Teil 3 der Masifunde-Geschichte ähnlich. Voraussichtlich Sonntag geht's dann um meine Rolle im System...
Mittwoch, 1. Oktober 2008
Was ich hier mache - Teil 1 von 3
Eigentlich wollte ich an dieser Stelle jetzt von meinem Ausflug ans Meer erzählen. Eine Geschichte von endlosen Sanddünen im Sonnenschein, auf denen man herrlich sein im Flugzeug gezocktes Deckchen ausbreiten kann und literarischen Highlights frönt. Oder eine Ode auf das reichhaltige Angebot an Meeresfrüchten, auf Miesmuscheln und Oktopus, die sich - kaum gesammelt und eingefangen - neulich so superb in meiner Pfanne gemacht haben.
Aber dann fielen mir diese vorwurfsvollen Fragen wieder ein, die mir eine gewisse Lazyness (nicht zu verwechseln mit Crazyness; dazu siehe Sven-Panel) unterstellen. Frei nach dem Motto "Fußball und Feierei schön und gut - aber arbeitet der Typ eigentlich auch irgendwas?" wurde mir gehäuft Untätigkeit unterstellt. Aber wer meinen unbändigen Fleiß kennt, der weiß, dass das natürlich nicht stimmen kann. Und daher erzähl ich mein Geschichtchen jetzt einfach mal. Wer lieber Sonnenschein und Tintenfische wollte, beschwere sich bei den Arbeitsfixierten!
Zunächst ein paar Worte über den Verein, für den ich arbeite: Masifunde, mit vollem Namen "Masifunde Bildungsförderung e.V." wurde 2005 von Jonas Schumacher, einem Deutschen, der im Walmer Township seinen Zivildienst gemacht und später an der Uni in Port Elizabeth studiert hat, gegründet. Der Name "Masifunde" ist Xhosa (zusammen mit Zulu die am häufigsten gesprochene Sprache in Südafrika) und heißt "Lasst uns lernen". Und genau ums Lernen geht es in der Vereinsarbeit auch, denn Bildung ist der Schlüssel zur Überwindung sozialer Ausgrenzung im "neuen" Südafrika.
Das Apartheidsregime vertrat die zumindest für Rassisten plausible Auffassung, dass Bildung sowieso nur für Weiße Sinn mache, weil alle Menschen anderer Hautfarben sowieso nur für einfache Arbeiten gebraucht würden. Dementsprechend war das Bildungssystem aufgebaut und dementsprechend schwer bis unmöglich war es für "Nicht-Weiße" an höhere Bildung zu gelangen. Soweit kurz und knapp die Ausgangssituation anno 1994. Natürlich hat der fortan regierende African National Congress (ANC) diese Schranken längst aufgehoben, Menschen mit Herz und Gehirn erkennen ja auch sehr schnell, dass es einfach nur pervers und perfide ist, Bildungschancen nach Hautfarbe zu verteilen.
Doch trotz der unbestrittenen Bemühungen des ANC ist Südafrikas Bildungssystem auch 14 Jahre nach dem Ende der Apartheid längst nicht schrankenlos. Die Probleme sind vielschichtig: Zum einen sind die heutigen Elterngenerationen gerade in den Townships oftmals Opfer der bildungstechnischen Ausgrenzung der Apartheid und können ihren Kindern beim Lernen längst nicht so sehr helfen, wie das Eltern tun können, die eine Universitätslaufbahn hinter sich haben. Die mangelnde (Aus-)Bildung setzt zudem einen sozialen Teufelskreis in Gang. Denn wer in einem Land mit einer Arbeitslosenquote von ungefähr 40 Prozent keine oder kaum Qualifikationen vorweisen kann, der findet auch kaum Arbeit. Und mit der Arbeitslosigkeit kommt die Perspektivlosigkeit - und viele - längst nicht alle(!) - versuchen den Ausweg in Flaschen zu kaufen. Es ist schon teilweise erschreckend, mitanzusehen, wie der revolutionäre Geist eines Viertels, dass sich als eines der ganz wenigen Townships der Vertreibung durch die Apartheidspolizei widersetzt hat, heute in Alkohol eingelegt wird.
Das Trauerlied könnte jetzt noch um die Themen Aids, unglaubliche finanzielle Armut oder Fehlernährung erweitert werden, doch ich denke, dass braucht es zum Verständnis gar nicht. Das Bild einer behüteteten und lernfördernden Kindheit hat aber idealerweise - das ist sicherlich jedem klar - einen anderen Hintergrund als eine überfüllte und undichte Wellblechhütte.
Das Walmer Township - aufgenommen vom höchsten Hügel im Viertel
Doch es liegt längst nicht nur der ungünstige Rahmen, der die Townshipkinder von guter Bildung fern hält. Die eigentliche Größe der Hürde lässt sich heute in Rand und Cent beziffern. Denn südafrikanische Schulen kosten Schulgeld. Das System sieht so aus: Der Staat versorgt alle Schulen mit einer Basisförderung und gibt den Schulen die Freiheit ihren Haushalt ergänzend aus Gebühren zu finanzieren. Das Resultat dieser Praxis sind teuere, exzellente Premium-Schulen in den wohl-situierten Stadtteilen und billige, extrem einfache Schulen in den Townships. Während eine Townshipschule beispielsweise 80 Rand (ca. 6,50 Euro) im Jahr kostet und somit für nahezu alle Familien erschwinglich ist, betragen die Kosten für Schulgebühren, Lehrmittel, Uniformen, Transport und Essensgeld an den weiter entfernten guten Schulen circa 75 Euro - im Monat. Die qualitativen Unterschiede sind entsprechend groß und drücken sich in den Klassenstärken, in den verfügbaren Lehrmitteln, in den Räumlichkeiten und nicht zuletzt in der Qualifikation und Motivation der Lehrer aus. Die Quote der Abgänger mit Highschool-Reife liegt an Townshipschulen unter fünf Prozent.
Dass dieses Problem nicht mit zehn Säcken Mais, fünf Beuteln Kleiderspende und einer Hand voll Bon-Bons für die Kleinen zu beheben ist, dürfte offensichtlich sein. Der Ansatz, den Masifunde verfolgt liegt daher - der Vereinsname verrät es schon - in der Bildungsförderung. Teil 2 der Geschichte wird - voraussichtlich morgen - die Vereinsarbeit erläutern, ehe ich euch im dritten Teil meine Rolle vorstelle. Denn für einen Text ist das Thema, vorausgesetzt man will es umfassend und genau beschreiben - einfach zu komplex. Und ihr wollt es ja anscheinend genau wissen. Doch keine Angst, irgendwann gibt's auch wieder Stories von A wie Abseitsfalle bis Z wie Zimmer einrichten.
PS: Jens Otto hat für Job4u einen Artikel über mich und meine Arbeit geschrieben, der am Samstag im Weser-Kurier erscheinen soll. Also lesen und Jens lobende Leserbriefe an die Redaktion schreiben!
PPS: Sorry, zuviel Arbeit und dann noch Probleme mit dem Laptop führen dazu, dass der Geschichte zweiter Teil verschoben wird. Mein Ofen ist einfach aus für heute. Spannendes, erwärmendes Material gibt's aber trotzdem, denn der Text von Jens Otto ist online. Hier geht's lang!
Aber dann fielen mir diese vorwurfsvollen Fragen wieder ein, die mir eine gewisse Lazyness (nicht zu verwechseln mit Crazyness; dazu siehe Sven-Panel) unterstellen. Frei nach dem Motto "Fußball und Feierei schön und gut - aber arbeitet der Typ eigentlich auch irgendwas?" wurde mir gehäuft Untätigkeit unterstellt. Aber wer meinen unbändigen Fleiß kennt, der weiß, dass das natürlich nicht stimmen kann. Und daher erzähl ich mein Geschichtchen jetzt einfach mal. Wer lieber Sonnenschein und Tintenfische wollte, beschwere sich bei den Arbeitsfixierten!
Zunächst ein paar Worte über den Verein, für den ich arbeite: Masifunde, mit vollem Namen "Masifunde Bildungsförderung e.V." wurde 2005 von Jonas Schumacher, einem Deutschen, der im Walmer Township seinen Zivildienst gemacht und später an der Uni in Port Elizabeth studiert hat, gegründet. Der Name "Masifunde" ist Xhosa (zusammen mit Zulu die am häufigsten gesprochene Sprache in Südafrika) und heißt "Lasst uns lernen". Und genau ums Lernen geht es in der Vereinsarbeit auch, denn Bildung ist der Schlüssel zur Überwindung sozialer Ausgrenzung im "neuen" Südafrika.
Das Apartheidsregime vertrat die zumindest für Rassisten plausible Auffassung, dass Bildung sowieso nur für Weiße Sinn mache, weil alle Menschen anderer Hautfarben sowieso nur für einfache Arbeiten gebraucht würden. Dementsprechend war das Bildungssystem aufgebaut und dementsprechend schwer bis unmöglich war es für "Nicht-Weiße" an höhere Bildung zu gelangen. Soweit kurz und knapp die Ausgangssituation anno 1994. Natürlich hat der fortan regierende African National Congress (ANC) diese Schranken längst aufgehoben, Menschen mit Herz und Gehirn erkennen ja auch sehr schnell, dass es einfach nur pervers und perfide ist, Bildungschancen nach Hautfarbe zu verteilen.
Doch trotz der unbestrittenen Bemühungen des ANC ist Südafrikas Bildungssystem auch 14 Jahre nach dem Ende der Apartheid längst nicht schrankenlos. Die Probleme sind vielschichtig: Zum einen sind die heutigen Elterngenerationen gerade in den Townships oftmals Opfer der bildungstechnischen Ausgrenzung der Apartheid und können ihren Kindern beim Lernen längst nicht so sehr helfen, wie das Eltern tun können, die eine Universitätslaufbahn hinter sich haben. Die mangelnde (Aus-)Bildung setzt zudem einen sozialen Teufelskreis in Gang. Denn wer in einem Land mit einer Arbeitslosenquote von ungefähr 40 Prozent keine oder kaum Qualifikationen vorweisen kann, der findet auch kaum Arbeit. Und mit der Arbeitslosigkeit kommt die Perspektivlosigkeit - und viele - längst nicht alle(!) - versuchen den Ausweg in Flaschen zu kaufen. Es ist schon teilweise erschreckend, mitanzusehen, wie der revolutionäre Geist eines Viertels, dass sich als eines der ganz wenigen Townships der Vertreibung durch die Apartheidspolizei widersetzt hat, heute in Alkohol eingelegt wird.
Das Trauerlied könnte jetzt noch um die Themen Aids, unglaubliche finanzielle Armut oder Fehlernährung erweitert werden, doch ich denke, dass braucht es zum Verständnis gar nicht. Das Bild einer behüteteten und lernfördernden Kindheit hat aber idealerweise - das ist sicherlich jedem klar - einen anderen Hintergrund als eine überfüllte und undichte Wellblechhütte.
Das Walmer Township - aufgenommen vom höchsten Hügel im Viertel
Doch es liegt längst nicht nur der ungünstige Rahmen, der die Townshipkinder von guter Bildung fern hält. Die eigentliche Größe der Hürde lässt sich heute in Rand und Cent beziffern. Denn südafrikanische Schulen kosten Schulgeld. Das System sieht so aus: Der Staat versorgt alle Schulen mit einer Basisförderung und gibt den Schulen die Freiheit ihren Haushalt ergänzend aus Gebühren zu finanzieren. Das Resultat dieser Praxis sind teuere, exzellente Premium-Schulen in den wohl-situierten Stadtteilen und billige, extrem einfache Schulen in den Townships. Während eine Townshipschule beispielsweise 80 Rand (ca. 6,50 Euro) im Jahr kostet und somit für nahezu alle Familien erschwinglich ist, betragen die Kosten für Schulgebühren, Lehrmittel, Uniformen, Transport und Essensgeld an den weiter entfernten guten Schulen circa 75 Euro - im Monat. Die qualitativen Unterschiede sind entsprechend groß und drücken sich in den Klassenstärken, in den verfügbaren Lehrmitteln, in den Räumlichkeiten und nicht zuletzt in der Qualifikation und Motivation der Lehrer aus. Die Quote der Abgänger mit Highschool-Reife liegt an Townshipschulen unter fünf Prozent.
Dass dieses Problem nicht mit zehn Säcken Mais, fünf Beuteln Kleiderspende und einer Hand voll Bon-Bons für die Kleinen zu beheben ist, dürfte offensichtlich sein. Der Ansatz, den Masifunde verfolgt liegt daher - der Vereinsname verrät es schon - in der Bildungsförderung. Teil 2 der Geschichte wird - voraussichtlich morgen - die Vereinsarbeit erläutern, ehe ich euch im dritten Teil meine Rolle vorstelle. Denn für einen Text ist das Thema, vorausgesetzt man will es umfassend und genau beschreiben - einfach zu komplex. Und ihr wollt es ja anscheinend genau wissen. Doch keine Angst, irgendwann gibt's auch wieder Stories von A wie Abseitsfalle bis Z wie Zimmer einrichten.
PS: Jens Otto hat für Job4u einen Artikel über mich und meine Arbeit geschrieben, der am Samstag im Weser-Kurier erscheinen soll. Also lesen und Jens lobende Leserbriefe an die Redaktion schreiben!
PPS: Sorry, zuviel Arbeit und dann noch Probleme mit dem Laptop führen dazu, dass der Geschichte zweiter Teil verschoben wird. Mein Ofen ist einfach aus für heute. Spannendes, erwärmendes Material gibt's aber trotzdem, denn der Text von Jens Otto ist online. Hier geht's lang!
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