Montag, 27. Oktober 2008
Ein Tag in Walmer Township
Hinter all diesen Fenstern...
Der Wecker hat es wieder schwerer mit mir. Nachdem ich mir das ewige Snooze-Tasten-Gedrücke eigentlich schon abgewöhnt hatte, bin ich hier in Walmer rückfällig geworden. Das Zimmer ist einfach zu klein, um das lärmende Gerät ausreichend außer Reichweite zu platzieren. Und so vergeht dann meist einige Zeit bis ich mich unter der wärmenden Decke hervortraue um sogleich ins Bad zu sprinten, weil der Arbeitsbeginn naht. Die Wege sind glücklicher Weise kurz, die Distanz vom Bett zum Büro-Schreibtisch kann jeder anhand des nun folgenden Bilds selbst abschätzen.
...und dann in meinem Zimmer
Nach dem allmorgentlichen Team-Talk, bei dem wir die Aufgaben für den Tag absprechen, geht’s dann um kurz nach 9 an die Arbeit. Montags etwas später, weil wir da eine richtige Sitzung machen und die gesamte Woche planen. Heute waren dabei direkt frohe Botschaften zu verkünden. Zwei Unternehmen haben als Spender für unser Summer Camp zugesagt. Das entlastet unser Budget für den neuntägigen Ausflug mit den Kindern ein wenig, auch wenn da noch mehr kommen muss. Die 60 Kinder wollen schließlich nicht hungern, wenn sie einmal im Jahr in den Genuss eines Ferienausflugs kommen. Wer selbst mal in einer Ferienfreizeit war, dürfte ja noch wissen, wie groß die Vorfreude ist, und für Kinder, die von Urlaub sonst nicht einmal zu träumen wagen, ist so ein Ausflug natürlich das Highlight schlechthin. Von daher muss das klappen, damit es auch zukünftig Summer Camps geben kann.
Doch zurück zum Tag. Nach den Dankesmails musste noch ein Artikel für den Newsletter fertig werden, ein paar weitere Spenden-Anrufe warteten auf mich, dann noch einen Artikel für die Homepage planen - und ruckzuck ist so ein Vormittag auch schon rum. Nach der – heute etwas verspäteten – Mittagspause mache ich mich dann zu Fuß auf den Weg ins Xolelanani Youth Centre, dem Jugendzentrum, in dem ich ab 15 Uhr die Kinder beschäftige, die darauf warten, mit 1:1-Betreuung ihre Hausaufgaben zu machen. Fotos von den Straßen zu machen ist nicht immer ganz leicht, weil Kameras doch eine hohe Anziehungskraft auf die Kinder hier haben.
Ich bin den ganzen Weg gegangen
Die Gestaltung des Programms liegt für die zwei Stunden in meiner Hand, hängt aber auch stark vom Benehmen der Kinder ab. Sind sie brav, gibt’s am Tag darauf auch mal einen Spiele-Nachmittag, versuchen sie Chaos zu veranstalten, werden Arbeitsblätter ausgefüllt. Unser Lehrer Dr. Selzsam lässt im Ernstfall auch schon mal das Alphabet zu Papier bringen, Ordnung muss ja schließlich sein.
Xolelanani Youth Centre und Masifunde-Bus: No money left to burn
So soll es sein
Wenn ich die letzten Racker nach Hause entlassen habe und im Centre keine Aufgaben mehr für mich anliegen, gehe ich nach Hause, um dort bis zum Feierabend weiterzuarbeiten. Der Heimweg geht in den seltensten Fällen mit weniger als drei Smalltalks vonstatten, obwohl es eigentlich nur zehn Minuten Fußweg sind. Einer der potentiellen Gesprächspartner ist Zola, der selbst eine Tanzgruppe im Jugendzentrum betreut.
Zola und wieviel von seinen Freundinnen
Zola wohnt direkt gegenüber des Jugendzentrums in einem von der Regierung bereitgestellten Haus. Diese kleinen Steinhäuser sind inzwischen absolut prägend für das Stadtbild im Kern von Walmer. Es gibt jedoch verschieden große Häuser, je nachdem zu welcher Zeit sie errichtet wurden. Da diese Häuser jedoch den vorher auf dem gleichen Grund in Wellblechhütten lebenden Menschen nicht genügend Platz bieten, haben die Leute sie oft einfach erweitert – oder hüttisiert, wie die Menschen hier sagen. Hüttisieren geht folgendermaßen: Man nehme das von der Regierung errichtete Steinhaus und baue ein perfektes Mimikri von Wellblechhütte direkt an eine der Seitenwände an. Einer unserer Nachbarn hat diese Bauweise in nahezu vollkommener Perfektion vollbracht.
Haus ohne Balkon gegenüber
Neben den Steinhäusern und hüttisierten Steinhäusern gibt es im Kern von Walmer zwar auch noch Wellblechhütten, die Häuser sind aber ganz klar in der Mehrzahl. Je weiter man in die neueren, teilweise informellen Erweiterungen des Townships vordringt, desto schlechter wird allerdings auch der Lebensstil. Dort steht dann wirklich Hütte an Hütte, durch manche kann man tatsächlich durchgucken, so undicht sind die rostigen Wände. Dazu kommt, dass ein Teil der ohne Genehmigung errichteten Hütten auf einer ehemaligen Müllkippe stehen. Der Boden gibt dort immer wieder neuen Müll frei, zudem steit Methangas auf, was nicht unbedingt gesundheitsförderlich ist. Das Wohlstandsgefälle, das dem oberflächlichen Betrachter nur zwischen dem Township und den wohlhabenderen Stadtteilen auffällt, ist also auch innerhalb der Siedlung sehr groß.
Mit unserem – wenn auch sehr kleinen – Steinhäuschen leben wir da natürlich ganz klar am oberen Ende der Skala.
Die Stufen, die Haustür, kein Flur
Die Auffahrt zum Haus mit Auto (im fünften Gang 180)
Einen Warmwasserboiler hat sonst beispielsweise kaum jemand hier. Dieses Gerät weiß ich aber sehr zu schätzen, wenn ich nach getaner Arbeit und absolviertem Fußballtraining nach Hause komme. Morgen wird wieder so ein Tag sein. Der heutige klingt gleich noch mit Xhosa-Unterricht aus.
In diesem Sinne: Sala kakuhli!
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6 Kommentare:
Da hört wohl jemand derzeit besonders viel Musik von Hamburger Bands, wa? Schöner Eintrag mal wieder!
Verdammt, erwischt, obwohl die ja teilweise berlinerisiert sind... Danke!
Ha, der Selz hats raus, wie man mit seinen Schülern umgehen muss. Gruß von einem Nachhilfelehrer an den anderen. Vier Jahre Erfahrung als Nachhilfelehrer - Wenn du also noch Tipps zum Zügeln der kleinen Rabauken brauchst...
Gruß
Schleufi
Darf ich mich auch bei dir anmelden, Schleufi? Betreue demnächst regelmäßig ein paar englische Rabauken!
Mensch Christian, lese hier wirklich gerne. Ein sauberes Stück Arbeit. Wie ist denn das fußballerische Level der Mitspieler in deiner Freizeit-Truppe? Bringst Du endlich die Defensiv-Stärke nach Afrika? Das nenn' ich mal Entwicklungshilfe!
Heyho,
@schleufi: Komm ich drauf zurück, noch gehts...
@Frau Banner: Be an iron lady!
@Boschibär: Nix Freizeittruppe, die spielen vierte Liga. Noch einmal aufsteigen und es gibt Kohle und man fährt nach Joburg zu Auswärtsspielen. Aber der Aufstieg ist illusorisch, wir sind gerade erst aufgestiegen in die Vierte. Aber das Niveau ist technisch und spielerisch schon sehr hoch, nur etwas mehr Übersicht wäre manchmal angebracht.
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