Mittwoch, 1. Oktober 2008

Was ich hier mache - Teil 1 von 3

Eigentlich wollte ich an dieser Stelle jetzt von meinem Ausflug ans Meer erzählen. Eine Geschichte von endlosen Sanddünen im Sonnenschein, auf denen man herrlich sein im Flugzeug gezocktes Deckchen ausbreiten kann und literarischen Highlights frönt. Oder eine Ode auf das reichhaltige Angebot an Meeresfrüchten, auf Miesmuscheln und Oktopus, die sich - kaum gesammelt und eingefangen - neulich so superb in meiner Pfanne gemacht haben.

Aber dann fielen mir diese vorwurfsvollen Fragen wieder ein, die mir eine gewisse Lazyness (nicht zu verwechseln mit Crazyness; dazu siehe Sven-Panel) unterstellen. Frei nach dem Motto "Fußball und Feierei schön und gut - aber arbeitet der Typ eigentlich auch irgendwas?" wurde mir gehäuft Untätigkeit unterstellt. Aber wer meinen unbändigen Fleiß kennt, der weiß, dass das natürlich nicht stimmen kann. Und daher erzähl ich mein Geschichtchen jetzt einfach mal. Wer lieber Sonnenschein und Tintenfische wollte, beschwere sich bei den Arbeitsfixierten!

Zunächst ein paar Worte über den Verein, für den ich arbeite: Masifunde, mit vollem Namen "Masifunde Bildungsförderung e.V." wurde 2005 von Jonas Schumacher, einem Deutschen, der im Walmer Township seinen Zivildienst gemacht und später an der Uni in Port Elizabeth studiert hat, gegründet. Der Name "Masifunde" ist Xhosa (zusammen mit Zulu die am häufigsten gesprochene Sprache in Südafrika) und heißt "Lasst uns lernen". Und genau ums Lernen geht es in der Vereinsarbeit auch, denn Bildung ist der Schlüssel zur Überwindung sozialer Ausgrenzung im "neuen" Südafrika.

Das Apartheidsregime vertrat die zumindest für Rassisten plausible Auffassung, dass Bildung sowieso nur für Weiße Sinn mache, weil alle Menschen anderer Hautfarben sowieso nur für einfache Arbeiten gebraucht würden. Dementsprechend war das Bildungssystem aufgebaut und dementsprechend schwer bis unmöglich war es für "Nicht-Weiße" an höhere Bildung zu gelangen. Soweit kurz und knapp die Ausgangssituation anno 1994. Natürlich hat der fortan regierende African National Congress (ANC) diese Schranken längst aufgehoben, Menschen mit Herz und Gehirn erkennen ja auch sehr schnell, dass es einfach nur pervers und perfide ist, Bildungschancen nach Hautfarbe zu verteilen.

Doch trotz der unbestrittenen Bemühungen des ANC ist Südafrikas Bildungssystem auch 14 Jahre nach dem Ende der Apartheid längst nicht schrankenlos. Die Probleme sind vielschichtig: Zum einen sind die heutigen Elterngenerationen gerade in den Townships oftmals Opfer der bildungstechnischen Ausgrenzung der Apartheid und können ihren Kindern beim Lernen längst nicht so sehr helfen, wie das Eltern tun können, die eine Universitätslaufbahn hinter sich haben. Die mangelnde (Aus-)Bildung setzt zudem einen sozialen Teufelskreis in Gang. Denn wer in einem Land mit einer Arbeitslosenquote von ungefähr 40 Prozent keine oder kaum Qualifikationen vorweisen kann, der findet auch kaum Arbeit. Und mit der Arbeitslosigkeit kommt die Perspektivlosigkeit - und viele - längst nicht alle(!) - versuchen den Ausweg in Flaschen zu kaufen. Es ist schon teilweise erschreckend, mitanzusehen, wie der revolutionäre Geist eines Viertels, dass sich als eines der ganz wenigen Townships der Vertreibung durch die Apartheidspolizei widersetzt hat, heute in Alkohol eingelegt wird.

Das Trauerlied könnte jetzt noch um die Themen Aids, unglaubliche finanzielle Armut oder Fehlernährung erweitert werden, doch ich denke, dass braucht es zum Verständnis gar nicht. Das Bild einer behüteteten und lernfördernden Kindheit hat aber idealerweise - das ist sicherlich jedem klar - einen anderen Hintergrund als eine überfüllte und undichte Wellblechhütte.


Das Walmer Township - aufgenommen vom höchsten Hügel im Viertel

Doch es liegt längst nicht nur der ungünstige Rahmen, der die Townshipkinder von guter Bildung fern hält. Die eigentliche Größe der Hürde lässt sich heute in Rand und Cent beziffern. Denn südafrikanische Schulen kosten Schulgeld. Das System sieht so aus: Der Staat versorgt alle Schulen mit einer Basisförderung und gibt den Schulen die Freiheit ihren Haushalt ergänzend aus Gebühren zu finanzieren. Das Resultat dieser Praxis sind teuere, exzellente Premium-Schulen in den wohl-situierten Stadtteilen und billige, extrem einfache Schulen in den Townships. Während eine Townshipschule beispielsweise 80 Rand (ca. 6,50 Euro) im Jahr kostet und somit für nahezu alle Familien erschwinglich ist, betragen die Kosten für Schulgebühren, Lehrmittel, Uniformen, Transport und Essensgeld an den weiter entfernten guten Schulen circa 75 Euro - im Monat. Die qualitativen Unterschiede sind entsprechend groß und drücken sich in den Klassenstärken, in den verfügbaren Lehrmitteln, in den Räumlichkeiten und nicht zuletzt in der Qualifikation und Motivation der Lehrer aus. Die Quote der Abgänger mit Highschool-Reife liegt an Townshipschulen unter fünf Prozent.

Dass dieses Problem nicht mit zehn Säcken Mais, fünf Beuteln Kleiderspende und einer Hand voll Bon-Bons für die Kleinen zu beheben ist, dürfte offensichtlich sein. Der Ansatz, den Masifunde verfolgt liegt daher - der Vereinsname verrät es schon - in der Bildungsförderung. Teil 2 der Geschichte wird - voraussichtlich morgen - die Vereinsarbeit erläutern, ehe ich euch im dritten Teil meine Rolle vorstelle. Denn für einen Text ist das Thema, vorausgesetzt man will es umfassend und genau beschreiben - einfach zu komplex. Und ihr wollt es ja anscheinend genau wissen. Doch keine Angst, irgendwann gibt's auch wieder Stories von A wie Abseitsfalle bis Z wie Zimmer einrichten.

PS: Jens Otto hat für Job4u einen Artikel über mich und meine Arbeit geschrieben, der am Samstag im Weser-Kurier erscheinen soll. Also lesen und Jens lobende Leserbriefe an die Redaktion schreiben!

PPS: Sorry, zuviel Arbeit und dann noch Probleme mit dem Laptop führen dazu, dass der Geschichte zweiter Teil verschoben wird. Mein Ofen ist einfach aus für heute. Spannendes, erwärmendes Material gibt's aber trotzdem, denn der Text von Jens Otto ist online. Hier geht's lang!

3 Kommentare:

jensen hat gesagt…

Danke für den Hinweis auf den Artikel! Ich werde hier im Blog in einem Kommentar den Link hinterlassen, wenn das Ding auch online verfügbar ist. Im Übrigen, wer hat den ernsthaft von dir gedacht, du würdest lieber relaxen als zu arbeiten? Kann mir niemanden vorstellen ...

jonas hat gesagt…

der link auf übervater sven wurde auch langsam mal zeit! die message is feierei alder!

Dr. Selzsam hat gesagt…

Zumindest kleines Bisi!